GdP-Fachtag „Jüdisches Leben und Polizei – Internationaler Austausch SWC und DHPol“
Rede 29.01.2025
Grußwort von Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser
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Ort
Bundesgeschäftsstelle GdP
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Rednerin oder Redner
Bundesinnenministerin Nancy Faeser
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr Kopelke,
sehr geehrter Herr Rabbiner Cooper,
sehr geehrte Frau Dr. Haass,
sehr geehrter Herr Springer,
sehr geehrte Damen und Herren,
sehr gerne bin ich der Einladung der Gewerkschaft der Polizei gefolgt. Denn Sie widmen sich heute Zielen, die mir sehr am Herzen liegen:
Sie helfen, jüdisches Leben zu schützen und Antisemitismus zu bekämpfen. Und Sie übernehmen als Gewerkschaft Verantwortung:
Indem Sie es unseren Polizistinnen und Polizisten leichter machen, ihren wichtigen Beitrag zu dieser Aufgabe noch besser und souveräner zu leisten.
Und indem Sie auf diesem Fachtag wertvolles Wissen vermitteln, wie jede und jeder einzelne dazu im Berufsalltag dazu beitragen kann – im Austausch mit internationalen Kolleginnen und Kollegen. Ihre Initiative begrüße ich sehr und es ist mir ein Anliegen und eine große Freude, meinen Teil zu diesem Fachtag beizutragen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Wenn es darum geht, ganz konkret gegen antisemitische Hetze und Gewalt vorzugehen, stehen Polizistinnen und Polizisten oft in der ersten Reihe. Und für Betroffene, die antisemitische Vorfälle zur Anzeige bringen, sind sie meist die ersten Ansprechpartner:
Wenn Menschen, die angegriffen und bedroht wurden, die verängstigt sind, Hilfe suchen und sich an die Behörden wenden, dann sind Polizistinnen und Polizisten das Gesicht unseres Staates. Und dann ist es ganz entscheidend, dass dieses Gesicht ein freundliches und unterstützendes ist. Wer in Not ist, erwartet, dass unsere Behörden sensibel und kompetent handeln.
Denn beim Thema Antisemitismus stehen der deutsche Staat und insbesondere die Polizei in einer besonderen Verantwortung – gerade nach dem Terror vom 7. Oktober, mit all seinen Auswirkungen, die wir auch hierzulande spüren.
Die besondere Verantwortung, von der ich spreche, erwächst aus unserer Geschichte. Sie erwächst aus den entsetzlichen Erfahrungen der Schoa, die über Generationen hinweg wirken.
Sie erwächst aber auch aus Erfahrungen, die jüdische Bürgerinnen und Bürger danach – in beiden Staaten des geteilten Deutschlands – machen mussten. All das hatte bei vielen das Vertrauen in den deutschen Staat, seine Institutionen und deren Vertreter nachhaltig erschüttert. Auch 80 Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus sind längst nicht alle dieser Wunden verheilt.
Und dennoch ist festzustellen: Bei Jüdinnen und Juden heute ist neues Vertrauen in den deutschen Staat und seine Behörden gewachsen.
Darüber bin ich sehr froh und allen in unseren Sicherheitsbehörden und den Polizeien von Bund und Ländern, die dazu beigetragen haben, sehr dankbar.
Der Zentralrat der Juden hat vor wenigen Monaten die Vorsitzenden seiner Gemeinden zur Lage befragt. Als wichtigste Unterstützer – neben den Stadt- und Landesregierungen – haben sie die Polizei und unsere Sicherheitsbehörden angegeben.
93% der Befragten sind mit der Zusammenarbeit mit der Polizei zufrieden. Dieses große Vertrauen zeigt sich auch daran, dass der Anteil an antisemitischen Delikten, die die Gemeinden zur Anzeige gebracht haben, bei 100% liegt!
Dieses Vertrauen ist in vielerlei Hinsicht sehr positiv. Es ist das Ergebnis unserer guten Zusammenarbeit der letzten Jahre. Dafür bedanke ich mich bei allen Beteiligten ganz herzlich!
Heute steht der Staat fest an der Seite der jüdischen Gemeinschaft.
Und das ist leider gerade jetzt besonders dringend nötig.
Denn – das ist allen hier im Saal bewusst – seit dem furchtbaren Terrorangriff der Hamas gegen Israel am 7. Oktober 2023 sind die Dämme auch bei uns gebrochen. Es war der schlimmste Terrorakt gegen jüdische Menschen seit der Schoa.
Die Zahl antisemitischer Straftaten hat sich 2023 im Vergleich zu 2022 fast verdoppelt – und schon zuvor war die Zahl beschämend hoch. Im vergangenen Jahr ist sie auf hohem Niveau geblieben, vor allem wegen Hassdelikten und Propaganda. Aber auch die Gewalttaten haben stark zugenommen.
Vor allem, wo er sich gegen Israel richtet, schlägt Antisemitismus Brücken zwischen unterschiedlichsten Ideologien:
Rechts- und Linksextremismus wie Islamismus eint der Hass auf Juden und Israel als jüdischen Staat.
Der Einsatz für die Rechte der Palästinenser dient dabei – gerade seit dem 7. Oktober – oft als Feigenblatt.
Aber, meine Damen und Herren,
wenn jüdische Menschen angegriffen werden, dann muss eins immer gelten: Dafür gibt es keine Rechtfertigung und null Toleranz! Wenn jüdische Studierende sich nicht mehr zur Universität trauen – weil dort Gewalt gegen Dinge und auch Menschen ausgeübt wird – dann ist das ein Skandal. Und das dürfen wir nie und nirgendwo hinnehmen.
Die Polizei steht dabei auch vor der Aufgabe, zugleich das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und das Versammlungsrecht zu schützen wie auch jüdische Menschen vor Hass und Gewalt zu bewahren. Die Grenze des Zulässigen ist aber dann überschritten, wenn Israel das Existenzrecht abgesprochen wird – oder Jüdinnen und Juden als Gruppe verunglimpft oder herabgewürdigt werden.
Um in solchen Situationen besonnen agieren zu können, brauchen Polizistinnen und Polizisten eine gute Aus- und Fortbildung. Sehr erfreulich finde ich daher, dass die Deutsche Hochschule der Polizei ein verbindliches Ausbildungselement zu Antisemitismus in ihr Programm aufgenommen hat. Für die Bundespolizei und das BKA habe ich im Januar 2023 eine Absichtserklärung zur Zusammenarbeit mit Yad Vashem in der Polizeiausbildung unterzeichnet.
Und soweit ich weiß, haben einige Bundesländer schon ähnliche Kooperationen. Besonders positiv möchte ich hervorheben, dass einige Länder auch mit Rabbinern und engagierten Vereinen kooperieren — um noch mehr Expertise in die polizeiliche Aus- und Fortbildung zu holen. Mehrere haben inzwischen nicht nur eigene Antisemitismusbeauftragte, sondern auch Polizeirabbiner. Diese Balance ist ganz wichtig: Wir müssen nicht nur den Hass auf Juden bekämpfen. Sondern jüdische Stimmen mit einbeziehen und hörbarer machen.
Das spiegelt auch die erste Nationale Strategie der Bundesregierung gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben wider, die schon im November 2022 beschlossen wurde.
Das wichtigste Element darin: Die Perspektive der Betroffenen zu berücksichtigen. Das leistet dieser Fachtag hier auf vorbildliche Weise.
Und auch bei den staatlichen Maßnahmen der letzten Jahre sind jüdische Stimmen systematisch einbezogen worden.
Nach dem Anschlagsversuch auf die Synagoge von Halle im Oktober 2019 haben wir schnell Sondermittel zur Verfügung gestellt, um jüdische Einrichtungen baulich sicherer zu machen.
Die Polizeien haben ihre Zusammenarbeit mit den jüdischen Einrichtungen intensiviert – um gemeinsam festzulegen, welche Schutzmaßnahmen zu welchen Zeiten notwendig sind. Und natürlich prüfen alle Polizeien kontinuierlich die Gefährdungslage – und damit die Präsenz vor jüdischen Einrichtungen –und verstärken sie, wenn nötig.
Das öffentliche Verbrennen von Flaggen anderer Staaten wurde 2020 unter Strafe gestellt.
Seit 2021 müssen Gerichte eine antisemitische Motivation bei der Strafzumessung verschärfend berücksichtigen.
Und nach dem 7. Oktober haben wir schnell reagiert, die Sicherheitsmaßnahmen für jüdische Einrichtungen hochgefahren und Betätigungsverbote für die Hamas in Deutschland erlassen. Ihre Unterstützerorganisation Samidoun haben wir in Deutschland verboten, so wie das Islamische Zentrum Hamburg, das schlimmste antisemitische Hasspropaganda verbreitet hat.
So wie die Bedrohungslage sich ständig verändert, ist es für die Polizei essenziell, auch die Aus- und Fortbildung von Polizistinnen und Polizisten auszubauen und nach Bedarf anzupassen. Dabei ist es wichtig, sich über die Ländergrenzen hinweg auszutauschen. Denn die Losungen, die etwa auf Demonstrationen verbreitet werden, tauchen ortsunabhängig und länderübergreifend auf, insbesondere im Internet.
Daher bin ich froh, dass wir gemeinsam mit den Innenministerinnen und -ministern der Länder seit der Stuttgarter Erklärung 2021 immer wieder klargestellt haben:
Auch im Netz werden Hass und Hetze nicht geduldet!
Die heutige Veranstaltung weitet den Blick über Staatsgrenzen hinaus.
Sie bezieht sowohl die umfassende Expertise des Simon-Wiesenthal-Centers ein als auch Erfahrungen der niederländischen Polizei und der Polizei von Los Angeles.
Bevor ich nun an Herrn Rabbiner Cooper übergebe: Ihnen allen noch einmal herzlichen Dank für Ihr großes Engagement und Interesse! Ich wünsche Ihnen einen offenen und gewinnbringenden Austausch zu diesem wichtigen Thema.
Vielen Dank!