Deutsche Islam Konferenz 2023

Typ: Rede , Datum: 21.11.2023

Rede von Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser

  • Ort

    Bundesministerium des Innern und für Heimat, Berlin

  • Rednerin oder Redner

    Bundesinnenministerin Nancy Faeser

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrter Herr Wulff,

sehr geehrte Abgeordnete Frau Kaddor

und Frau Bubendorfer-Licht,

sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Gäste,

herzlich willkommen hier im Bundesministerium des Innern und für Heimat zur Deutschen Islam Konferenz. Ich freue mich sehr, dass Sie alle heute den Weg hierher gefunden haben, um gemeinsam ins Gespräch zu kommen unter dem Titel "Sozialer Frieden und demokratischer Zusammenhalt: Bekämpfung von Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit in Zeiten gesellschaftlicher Spaltung".

Besonders freue ich mich auch, dass der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff heute bei uns ist.

Lieber Herr Wulff,

Sie haben als Vorsitzender des Kuratoriums des Islamkollegs eine wichtige Rolle für muslimisches Leben in Deutschland. Vor wenigen Wochen erst, am 30. September, haben die ersten Absolventen des Kollegs ihre Zertifikate erhalten. Zum ersten Mal in der Geschichte unseres Landes konnten angehende Imame sich auf Deutsch ausbilden lassen – verbandsübergreifend, akademisch fundiert und auf dem Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Sie haben es selbst so gesagt, lieber Herr Wulff: Das war ein historischer Moment!

Und ich freue mich sehr darüber, dass hier in der letzten Woche weitere Fortschritte erzielt worden sind, auf die ich gleich noch zu sprechen kommen werden. Aber lassen Sie mich mit einigen grundsätzlichen Ausführungen beginnen, meine Damen und Herren.

Unser gesellschaftlicher Frieden, unser gesellschaftlicher Zusammenhalt sind kostbar. Dass wir einander trauen und vertrauen können, ist die Grundlage für unser Zusammenleben in Deutschland. Es ist die Grundlage unserer Demokratie.

Unser heutiges Zusammentreffen steht im Schatten der Ereignisse im Nahen Osten und den unmittelbaren Auswirkungen, die dieser Konflikt auf uns in Deutschland hat. Gerade in solchen schwierigen Zeiten zeigt sich, wie wichtig die DIK als ein Forum des Dialoges ist, das in dieser Form in Deutschland einmalig ist.

Sie ist ein Forum, in dem wir aktuelle Herausforderungen offen und auf Augenhöhe miteinander diskutieren können. Hier können wir ansprechen, was uns auf der Seele liegt – in aller Offenheit und in gegenseitigem Respekt. Dies fortzuführen, ist eine ganz besondere Verantwortung aller derjenigen, die hier versammelt sind.

Die furchtbaren Terrorattacken der Hamas gegen Israel kennen kein "Aber". Dieser Terror verachtet alles, was wir an Werten haben, kennen und achten. Israel hat das Recht, sich gegen den bestialischen Terror der Hamas zur Wehr zu setzen, der Unschuldige ermordet, unterschiedslos Soldaten und Zivilisten massakriert, Männer und Frauen, Alte und Kinder – Terror, der den jüdischen Staat und seine Bewohner vernichten will.

Es gibt kein "Aber" – es gibt ein "Und": Auch palästinensische Männer, Frauen und Kinder leiden und sterben in diesem Krieg – auch sie sind Opfer dieses Terrors, der von der Hamas ausging und von ihr zu verantworten ist. Alle verdienen Raum für ihre Trauer über die schreckliche Gewalt und um die vielen zivilen Opfer – die israelischen und die palästinensischen.

Doch so betroffen wir auch sind: Dieser Nahost-Konflikt darf nicht auf deutschen Straßen ausgetragen werden.

Dass dieser Konflikt sich bei uns weiter gewalttätig niederschlägt, werden wir mit aller Kraft verhindern. Denn: Deutschland ist nicht nur ein Einwanderungsland.

Wir sind auch ein Land, in dem Menschen Schutz vor Konflikten und Kriegen in ihrer ursprünglichen Heimat suchen. Ein Land, in dem sie Zuflucht finden. Und zuvorderst sind wir ein Rechtsstaat, an dessen Grundsätzen niemand rütteln darf. Erst recht nicht mit Hass und Gewalt. Wir werden keine Propaganda, keine Aufrufe dazu bei uns zulassen.

Umso mehr bestürzt mich, dass in Räumen der DITIB ein prominenter Vertreter des Terror-Regimes der Taliban auftreten konnte. Ich habe die Erklärungen und Distanzierungen der örtlichen Gemeinde und des Bundesverbandes der DITIB zur Kenntnis genommen. Dennoch frage ich sehr klar und erwarte darauf bald eine ebenso klare Antwort: Wie garantieren sie uns allen, dass dieses sich niemals wiederholen wird?

Dies war keine interne Angelegenheit eines Vereines.

Dies berührt die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, für die ich stehe.

Meine Damen und Herren,

wir wollen diese Islamkonferenz nutzen, um uns zwei Fragen zu widmen:

Wie können wir Muslimfeindlichkeit in Deutschland bekämpfen?

Und wie können wir Antisemitismus in in unserer Einwanderungsgesellschaft wirksam begegnen?

Diese Fragen haben in Deutschland einen besonderen Stellenwert. Denn die Sicherheit Israels zu schützen, Antisemitismus zu bekämpfen und Jüdinnen und Juden hierzulande zu schützen, ist unverrückbarer Bestandteil der deutschen Staatsräson. Das ergibt sich aus den Verbrechen der Schoa: Denn es waren Deutsche, die diese Maschinerie der Menschenvernichtung geschaffen haben. Aus dieser Schuld erwächst eine Verantwortung für uns alle:

Die Existenz jüdischen Lebens darf niemals wieder gefährdet werden!

Das ist aber nicht nur Sache des Staates. Sondern auch die Verantwortung der gesamten deutschen Gesellschaft. Jeder einzelne Mensch in Deutschland lebt in dieser Verantwortung. Jeder.

Das gilt auch für diejenigen von uns, die die deutsche Staatsbürgerschaft erst nach ihrer Geburt bekommen haben. Wer Bürgerin und Bürger unseres Landes wird, muss wissen, was das auch für sie oder ihn persönlich bedeutet.

Leider ist Antisemitismus trotz dieser Staatsräson in Deutschland nicht verschwunden. Er hat viele verschiedene Formen – Judenhass geht nicht nur von Extremisten aus. Besonders der israelbezogene Antisemitismus ist in allen gesellschaftlichen Gruppen verbreitet: Fast 40% der Bevölkerung stimmen entsprechenden Aussagen zu.

Eine erschreckende Zahl, die zeigt, wie tief sich dieses Gift in unsere Gesellschaft gefressen hat. Gleichzeitig sind antisemitische Einstellungen nicht nur in der sogenannten Mehrheitsgesellschaft vorhanden.

Zur Wahrheit gehört auch, dass insbesondere auf Israel bezogene Ressentiments unter Muslimen in Deutschland deutlich verbreiteter sind als im Durchschnitt der Gesellschaft. Das zeigt uns die Forschung klar und deutlich.

Und wir erleben derzeit, dass bei einigen nur ein Funke genügt, damit auf Worte des Hasses Taten der Gewalt folgen. Auch darüber müssen wir hier und heute in aller Offenheit sprechen.

Wenn dieser Israelhass dazu führt, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland wieder zur Zielscheibe werden, nur weil sie jüdisch sind; wenn auf deutschen Straßen ihre Vernichtung propagiert wird; wenn Molotowcocktails auf Synagogen geworfen werden; wenn jüdische Häuser und Wohnungen markiert werden – dann ist das nicht nur unerträglich, sondern muss mit aller Härte verfolgt werden. Wenn jüdische Eltern ihre Kinder freitags nicht mehr in die Schule oder Kita schicken, weil sie Angst haben, sie seien dort nicht sicher, dann erschüttert und beschämt mich das.

Dann müssen wir einsehen, dass unser "Nie wieder" brüchig geworden ist. Dass diese Überzeugung, die aus der deutschen Verantwortung für sechs Millionen in der Schoa ermordete Juden kommt, heute nicht für alle gültig ist.

Und wir müssen anerkennen, dass wir in Deutschland ein Problem mit Antisemitismus haben, der auch von Muslimen ausgeht. Dem müssen wir uns alle gemeinsam als Demokratinnen und Demokraten entschieden entgegenstellen!

Diese Verantwortung haben wir alle. Das heißt: Es ist auch an den islamischen Gemeinschaften und Verbänden in Deutschland, sich laut und deutlich gegen Antisemitismus auszusprechen und Terrorismus zu verurteilen. In den Freitagsgebeten, in den Gemeinden, auf Veranstaltungen oder auf den eigenen Social-Media-Kanälen. Und zwar gleichlautend, egal ob auf Deutsch, Türkisch oder Arabisch kommuniziert wird.

Ich danke den islamischen Verbänden, die im Oktober der Einladung meiner Staatssekretäre gefolgt sind, um mit dem BMI in den Dialog zur aktuellen Situation zu treten. Und ich danke dafür, dass Sie in Ihrer gemeinsamen Erklärung die Terrorakte der Hamas gegen Israel klar und deutlich verurteilt haben. Dass Sie Verantwortung für unser friedliches Zusammenleben übernehmen und deutlich machen, dass Sie Antisemitismus in Deutschland ablehnen und bekämpfen. Diese Signale sind sehr wichtig für unser Vertrauen zueinander!

Und lassen Sie mich das auch sehr deutlich sagen: Auf keinen Fall dürfen Muslime in Deutschland für islamistischen Terror in Haftung genommen werden. Denn die meisten Musliminnen und Muslime sind seit langem tief verwurzelt in unserer demokratischen Gesellschaft. Sie sind von den Bildern der entgrenzten Gewalt der Hamas genauso schockiert wie wir alle.

Ich erinnere daran: Die meisten Opfer islamistischen Terrors weltweit sind selbst Muslime! Viele Muslime stehen Seite an Seite mit Nicht-Muslimen auf Mahnwachen für den Schutz jüdischen Lebens. Sie erheben ihre Stimme gegen Antisemitismus. Sie engagieren sich für ein freies und vielfältiges Miteinander. Es ist wichtig, dass diese muslimischen Stimmen noch lauter werden!

Denn dieser Zusammenhalt ist jetzt wichtig, ja überlebenswichtig. Für Jüdinnen und Juden und für uns als Demokratie. Ich sage es ganz deutlich: Wir müssen den Kampf gegen Antisemitismus gemeinsam führen!

Auch einige Moscheegemeinden in Deutschland engagieren sich bereits. Ich danke allen, die sich gegen Judenhass einsetzen, für dieses Engagement. Ich appelliere aber auch gerade an die großen islamischen Verbände, die beanspruchen, die deutschen Muslime zu vertreten, den Kampf gegen Antisemitismus noch sichtbarer voranzutreiben.

Die gegenseitigen Besuche und Gespräche von Vertretern muslimischer und jüdischer Verbände und Gemeinden in Köln und Bochum Ende Oktober waren dafür wichtige und ermutigende Signale. Doch es reicht nicht, eine Synagoge zu besuchen und sich dort gegen Terror und Antisemitismus zu stellen, ohne das auch in die Moscheen und Gemeinden hinein zu kommunizieren und online zu verbreiten. Solch ein Bekenntnis ist nur dann von Wert, wenn es auch breit und offen vermittelt wird. Nur dann können wir es als ehrliches und ernst gemeintes Bekenntnis verstehen.
Die Deutsche Islam Konferenz hat das Thema Antisemitismus unter Muslimen bereits 2011 aufgegriffen. Seither haben wir viel bewegt. Die Bundesregierung hat ihre Projektförderung in diesem Bereich massiv ausgebaut. Zugleich bedarf es auch struktureller Sensibilisierungs- und Präventionsarbeit.

Als Bundesregierung wollen wir, dass mehr religiöses Personal für islamische Gemeinden hier in Deutschland ausgebildet wird. Denn wir wollen darauf vertrauen können, dass in den Moscheen und in der Gemeindearbeit der Zusammenhalt gestärkt wird. Wir wollen darauf vertrauen können, dass das Freitagsgebet frei bleibt von Antisemitismus und anderen Hassbotschaften.   

Deshalb haben unsere Sicherheitskräfte am vergangenen Donnerstag auch das Islamische Zentrum Hamburg durchsucht. Und mehrere Einrichtungen in anderen Bundesländern, die damit verbunden sind. Dazu will ich ganz deutlich sagen: Wir handeln nicht gegen eine Religion oder gegen einen bestimmten Staat. Sondern wir handeln gegen islamistischen Extremismus. Das ist im Interesse der großen Mehrheit der muslimischen Bevölkerung. Und auch islamische Gemeinden selbst äußern den Wunsch, Antisemitismus stärker zu bekämpfen.

Das BMI unterstützt diese Initiativen: Prävention und Sensibilisierung zu Antisemitismus sind zum Beispiel feste Bestandteile der Curricula im bundesweiten Ausbildungsprogramm des Islamkollegs Deutschland und im Weiterbildungs-Projekt "Islam in der Sozialarbeit" von Professor Khorchide.

Die Deutsche Islam Konferenz greift das Thema Antisemitismus auch im Kontext des innermuslimischen Dialogs auf. Die Alhambra Gesellschaft hat etwa mit ihren Diskussionsformaten die Vielfalt muslimischer Stimmen sichtbar gemacht.

Die DIK wird Antisemitismus unter Muslimen im kommenden Jahr noch stärker thematisieren. Wir werden im Frühjahr eine eigene Veranstaltung dazu auf die Beine stellen und unsere Projektförderung in diesem Themenfeld verstärken.

Eine Grenze ist dabei ganz klar: Antisemitismus kann nicht mit Muslimfeindlichkeit bekämpft werden! Wir dürfen denen keinen Raum geben, die Muslime zur Ursache allen Übels erklären. Wer jetzt Stimmung gegen Muslime macht unter dem Vorwand der Bekämpfung von Antisemitismus, will uns spalten, nicht einen. Das Wohl der Jüdinnen und Juden haben diese Menschen sicher nicht im Sinn.

Ob jüdisch, muslimisch, christlich oder atheistisch: Wir haben hier alle gemeinsam unsere Heimat. Eine gemeinsame Heimat, in der leider viele Menschen auch gemeinsame Erfahrungen mit Ablehnung machen. Denn die hier lebenden Muslime wissen, wie es sich anfühlt, ausgegrenzt zu werden. Was es bedeutet, wenn man sich aus Angst vor Angriffen nicht sicher fühlt. Was es mit einer Gemeinde macht, wenn ein Brandsatz gegen ihre Moschee geschleudert wird.

Muslime in Deutschland stoßen tagtäglich auf Ressentiments und negative Zuschreibungen. In den Medien, in politischen Debatten und in der Kneipe wird immer noch mehr über Muslime geredet als mit ihnen. Und dann dominieren meist eher Vorurteile, die Distanz erzeugen statt Verständnis und Vertrauen.

Muslimfeindlichkeit hört aber nicht bei Ablehnung und Diskriminierung auf. Sie wird auch zu Hass und Hetze.

Und im schlimmsten Fall führt sie zu Gewalt.
Ich danke daher den Mitgliedern des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit für ihren Bericht dazu.

Sie haben eine umfassende Bestandsaufnahme vorgelegt – zu Erscheinungsformen und Wirkweisen von Muslimfeindlichkeit und antimuslimischem Rassismus. Es ist nicht nur das erste Mal, dass es eine solche breit angelegte Untersuchung in Deutschland gibt. Sie ist auch im europäischen Vergleich ein Novum.

Ich teile ausdrücklich nicht jede Aussage, die der UEM in seinem Bericht trifft. Unbestreitbar haben wir weiteren Forschungsbedarf in diesem Bereich. Viele Fragen sind noch offen. Klar ist aber: In Deutschland stimmt etwa jeder Zweite muslimfeindlichen Aussagen zu. Ich sage es deutlich: Wir haben in Deutschland auch ein Problem mit Muslimfeindlichkeit. Wir wollen diese Fachtagung deshalb nutzen, um uns inhaltlich mit Empfehlungen des UEM zu befassen und Vorschläge dafür zu erarbeiten, wie wir sie umsetzen können.

Der Bericht geht auch davon aus, dass es noch viel mehr muslimfeindliche Übergriffe gibt als die offiziellen Zahlen besagen. Das muss uns zu denken geben!

Wir werden daher mit der DIK die Empfehlung aufgreifen, Möglichkeiten zur Dokumentation auszubauen, genauso wie Melde- und Beratungsstellen für Betroffene von Muslimfeindlichkeit. Ich danke der Antirassismusbeauftragten sehr dafür, dass sie sich des Themas ebenfalls annimmt. Wir werden gemeinsam Vorschläge erarbeiten, wie wir Betroffene besser unterstützen können – auch im Rahmen der DIK.
Für viele Muslime in Deutschland ist die Bedrohung, Opfer von muslimfeindlichen Übergriffen zu werden, Alltags-Realität.

Das hat katastrophale Auswirkungen auf ihr Sicherheitsempfinden. Das dürfen wir nicht akzeptieren.

Und wir sind alle aufgefordert, hinzusehen und aufzustehen, wenn Menschen diskriminiert, ausgegrenzt oder gar angegriffen werden. Denn klar ist: Alle Menschen in Deutschland haben das Recht, ein Leben in Sicherheit und freiheitlicher Demokratie zu führen. Das heißt: Für Muslimfeindlichkeit, Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rassismus und andere Formen von Menschenfeindlichkeit gibt es null Toleranz! Jeder Vorfall muss deutliche Konsequenzen haben. Ganz gleich, wo er passiert.

Dass wir eine so engagierte Zivilgesellschaft haben, die dagegen aufsteht, ist deshalb von unschätzbarem Wert. Ich freue mich, dass so viele von Ihnen unserer Einladung gefolgt sind. Sie setzen sich tagtäglich dafür ein, Rassismus, Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit zu bekämpfen. Sie stehen persönlich für eine Gesellschaft ein, die in Vielfalt geeint ist.

Gerade die Initiativen der jüdischen, christlichen und muslimischen Träger für Begegnung und Zusammenarbeit sind enorm wichtig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Diesen interreligiösen Dialog fördert die Deutsche Islam Konferenz seit vielen Jahren. Zum Beispiel richtet das bundesweite Projekt "Weißt du wer ich bin?" den Blick darauf, was uns verbindet.

Unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen, dem Zentralrat der Juden und dem Koordinierungsrat der Muslime fördert die DIK viele Projekte. Sie alle machen "die anderen" zu Menschen, denen wir begegnen können. Und mit denen wir friedlich zusammenleben wollen.

Diese Impulse müssen wir stärken. Wir dürfen uns nicht spalten lassen! Zurzeit haben diejenigen Zulauf, die auf komplexe Fragen scheinbar einfache Antworten geben. Doch Ausgrenzung und Hass sind keine Lösung, sondern das Problem!

Der UEM erläutert in seinem Bericht zwar, dass Muslimfeindlichkeit und Antisemitismus und verschiedene Ursprünge und Wirkweisen haben. Klar ist aber: Rechtsextremisten hassen Juden und Muslime. Das hat uns auch der schreckliche Anschlag in Halle gezeigt, bei dem der Attentäter nach der Synagoge den Döner-Imbiss angegriffen hat.

Rechtsextremismus ist und bleibt eine der größten Gefahren für unsere Demokratie. Für uns alle! Wir müssen sein Bedrohungspotenzial sehr ernst nehmen. Wir brauchen dagegen breite Allianzen. Gegen antidemokratisches und völkisches Gedankengut müssen wir uns gemeinsam wehren!

Zum gemeinsamen Leben in unserem Land gehört nah dem Grundgesetz auch die freie Religionsausübung. Dazu brauchen wir Prediger, die unsere Sprache sprechen, unser Land kennen, seine Gesetze, Werte und Gebräuche. Die sich in den offenen interreligiösen Dialog einbringen, die mit der Zivilgesellschaft zusammen diskutieren und handeln können und wollen. Die um unsere vielfältige und bunte Demokratie wissen und sie achten.

Deshalb freue ich mich, dass nach langen Verhandlungen im Vorfeld nun beim Besuch des türkischen Präsidenten beim Bundeskanzler eine Vereinbarung auf den Weg gebracht wurde, die Ausbildung von Imamen in Deutschland signifikant auszubauen. Mit dem Ziel, die Entsendung von Imamen aus der Türkei in der Folge ganz zu beenden.

Meine Damen und Herren,

dieses Jahr hat sich der Brandanschlag von Solingen zum 30. Mal gejährt. Er hat fünf Familienmitglieder von Mevlüde Genc das Leben gekostet. Die Überlebenden haben teils schwere bleibende Verletzungen erlitten. Das seelische Leid und die Angst, die sich danach in türkischen Communities ausgebreitet hat, sind Langzeitfolgen.

Als Reaktion auf den Anschlag brachen damals in mehreren deutschen Städten Proteste aus. Es war Mevlüde Genc, die daraufhin ihre Stimme erhob. Sie sagte:

"Bei all meinen Höllenqualen – ich hätte den aufgebrachten Türken nur zu sagen brauchen: setzt alles in Brand, zerstört alles. Aber mein Gewissen erlaubt mir das nicht. Außerdem bin ich Muslimin – Gott sei Dank. Also habe ich in meinen Qualen die Menschen zur Brüderlichkeit aufgerufen. Meine Kinder sind weg und werden nicht wiederkommen. Viele Kurden und Türken kamen mit Kanistern, sogar aus Berlin. In ihrer Wut wollten sie alles anzünden. Ich habe ihnen zugerufen: Die, die ihr verbrennt sind auch meine Kinder. Lasst ihre Mütter und Väter nicht leiden, damit unsere Freundschaft bestehen kann."

An Mevlüde Genc sollten wir uns alle ein Beispiel nehmen. Sie hat sich bis zu ihrem Tod im vergangenen Jahr unermüdlich für Verständigung und ein friedliches Miteinander eingesetzt. Vielen Dank.