Rede zum Thema Migrationspolitik anlässlich der Bundestagsdebatte am 22.9.2023

Typ: Rede , Datum: 22.09.2023

Debattenbeitrag von Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser

  • Ort

    Deutscher Bundestag, Berlin

  • Rednerin oder Redner

    Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Union, 

wir sind uns alle einig, dass in der Migrationspolitik große Herausforderungen vor uns liegen. Deshalb ist es ein Fortschritt, dass Sie jetzt dazu ein paar Vorschläge aufgeschrieben haben. Das ist deutlich besser als das, was ich in der letzten Woche dazu von Ihnen gehört und gelesen habe! Daher werte ich diesen Antrag so, dass Sie damit die Hand ergreifen wollen, die Bundeskanzler Olaf Scholz Ihnen gereicht hat, in seiner Rede am 6. September zum Deutschland-Pakt.
Ich habe mit Interesse gelesen, dass Sie nun "substanzielle Lösungen" fordern. Auch wenn ich daran erinnern will, dass kein Unions-Innenminister irgendetwas davon in den vergangenen 16 Jahren umgesetzt hat!

Viel wichtiger ist mir aber etwas Anderes: Wir alle haben als Demokraten eine Verantwortung für unsere Demokratie: Gehen Sie nicht weiter auf dem Irrweg, Wahlkampf auf dem Rücken von Menschen zu machen, die vor Krieg und Terror fliehen.
Ob das Gerede von Sozialtouristen aus der Ukraine von Herrn Merz oder das Remake der Obergrenze von Herrn Söder – all das ist Populismus pur und stärkt nur die Rechtsextremen. Oder wie Markus Söder einmal selbst gesagt hat: „Du kannst ein Stinktier nicht überstinken“. Machen Sie nicht denselben Fehler wieder.

Meine Damen und Herren,
ich will über das reden, was Sache ist.

  • Über 200.000 Asylanträge wurden in diesem Jahr (bis August) bereits gestellt.
  • Derzeit leben etwas mehr als eine Million (1,086 Mio.) Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland.
  • Zudem hat die Bundespolizei bis einschließlich Juli 56.052 unerlaubte Einreisen nach Deutschland verzeichnet.
  • Und die letzten Zahlen zur Schleusungskriminalität: die Bundespolizei hat bis Ende Juli dieses Jahres circa 1.300 Fälle mit rund 1.400 Schleusern festgestellt.

Diese Zahlen zeigen: Ja, wir sind auf allen Ebenen gefordert. Deshalb arbeitet die Bundesregierung mit den Kommunen und mit den Ländern an echten substanziellen Lösungen. Das heißt konkret: Ich habe die Bundespolizei personell verstärkt für mehr Schleierfahndungen an den Grenzen. Denn unsere Schleierfahndungen wirken. Die Grenzgebiete flächendeckend zu überwachen ist viel effektiver als stationäre Grenz-Kontrollen an Straßenübergängen – sonst hätten wir diese Daten übrigens nicht. Dahinter steht die erfolgreiche Arbeit unserer Bundespolizei, der ich dafür sehr dankbar bin. Es war gut, sie personell zu stärken.

Auch ein Wort zur Schleuserkriminalität, das ist mir persönlich ganz wichtig: Wir reden hier von Verbrechern. Die für Profit Menschenleben aufs Spiel setzen. Die Bundespolizei befreit regelmäßig Männer, Frauen und Kinder aus entsetzlichen Lagen: lebensgefährlich eingepfercht, ohne Wasser, ohne Nahrung und mit kaum Sauerstoff. Diese Verbrechen müssen wir verhindern. Deshalb handeln wir und dafür habe ich Sofortmaßnahmen auf den Weg gebracht: Eine Operative Zentrale zur Analyse der Schleuserkriminalität bei der Bundespolizei. Eine neue Task Force, die wir gemeinsam mit Polen und Tschechien gründen. Und wir schließen Strafbarkeitslücken: Wir weiten die rechtlichen Möglichkeiten aus, Schleusern ihre Aufenthaltstitel zu entziehen und sie auszuweisen.

Und ja, zur Schleuserkriminalitätsbekämpfung kann es partiell auch notwendig sein, stationäre Grenzkontrollen durchzuführen. Unsere Maßnahmen wirken – wir steuern und ordnen Migration! Wir unterstützen Länder und Kommunen substanziell – mit Milliardenbeträgen. Wir haben Reformen auf den Weg gebracht, die wirken. Und ich wundere mich schon: Sie fordern jetzt plötzlich verbindliche Vereinbarungen, um irreguläre Migration und die Aufnahme geflüchteter Menschen zu reduzieren. Nur fürs Protokoll: Ich habe in Europa bei der GEAS-Reform das erreicht, woran meine Vorgänger von der Union gescheitert sind.

Bleiben wir also bei den Fakten: Schon seit Beginn des Jahres ist unser Gesetz zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren in Kraft. Wir ermöglichen damit bessere und vor allem schnellere Entscheidungen. Und wir entlasten die Verwaltungsgerichte und das BAMF. Um Ausreisen konsequenter umzusetzen, sieht auch schon unser Koalitionsvertrag eine Rückführungs-Offensive vor. Im Mai hat sich der Bundeskanzler mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten dazu besprochen. Und ich freue mich ja, dass Sie die Dinge, die im MPK-Beschluss vom 10. Mai sämtlich enthalten sind, die wir längst vorgelegt haben, hier auch einmal aufschreiben. Wir gehen darüber aber noch deutlich hinaus:

Wir haben im Anschluss intensiv mit den Ländern und Kommunen an zwei Gesetzesinitiativen gearbeitet. Mit den Erkenntnissen daraus haben wir ganz aktuell den Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rückführung finalisiert. Jetzt geht die Ressortabstimmung los. Meine Mitarbeiter haben heute auf den Startknopf gedrückt. Ich freue mich über die Unterstützung, denn wir haben im Bundeskabinett vor ein paar Wochen die Republik Moldau und Georgien als sichere Herkunftsstaaten ausgewiesen. Das wird zu einer deutlichen Entlastung führen, weil 10 Prozent der Migranten, deren Asylanträge abgelehnt werden, von dort kommen.

Verbindlicher geht es kaum. Sie fordern hier etwas, wo wir schon längst gehandelt haben. Wir arbeiten auch intensiv an weiteren Migrationsabkommen, um dauerhafte Partnerschaften mit Herkunftsländern zu schließen. Sie wissen, dass wir all das bereits nach vorne bringen. Schritt für Schritt und mit voller Kraft. Dass Sie das alles noch einmal aufschreiben, zeigt doch:
Es gibt keinen Knopf, auf den man drückt und das Problem ist gelöst. Wer das behauptet, hat entweder keine Ahnung oder lügt die Menschen an.
Wir liefern deshalb echte, substanzielle Lösungen, um irreguläre Migration zu begrenzen.
Und wir wollen damit das Europa der offenen Binnengrenzen erhalten. Sie sind eine der größten europäischen Errungenschaften, die wir auch echten Europäern aus der CDU wie Helmut Kohl verdanken– lassen Sie uns gemeinsam diese Errungenschaft bewahren!
Für die Bürgerinnen und Bürger und für die Wirtschaft. Unsere Grundlinie ist: Wir kontrollieren die EU-Außengrenzen deutlich stärker.
Damit die Grenzen innerhalb Europas offenbleiben können. Genau das haben wir mit dem Kompromiss im Innenministerrat für ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem im Juni erreicht.
Der Ernsthaftigkeit der Situation sind wir uns alle bewusst. Und tun das mit klarer Haltung: Diese Bundesregierung liefert, was die Lage erfordert, ohne sich bei Populisten anzubiedern. Für die Ampel kann ich sagen: wir haben einen klaren Kurs in der Migrationspolitik. Fachkräfte gewinnen. Humanität leben. Irreguläre Migration begrenzen.

Wir schützen das individuelle Grundrecht auf Asyl – auch vor Missbrauch. Und wir steuern und ordnen Migration stärker als bisher. Damit sichern wir Zukunft und Zusammenhalt in Deutschland und Europa.

Vielen Dank.