Auftaktveranstaltung der Deutschen Islam Konferenz

Typ: Rede , Datum: 07.12.2022

Rede der Bundesministerin des Inneren und für Heimat Nancy Faeser

  • Ort

    Konferenzzentrum BMI

  • Rednerin oder Redner

    Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Abgeordnete,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

liebe Repräsentantinnen und Repräsentanten des muslimischen Lebens in Deutschland,

herzlich Willkommen hier im Bundesministerium des Innern und für Heimat! Ich freue mich sehr darüber, dass die Deutsche Islam Konferenz nach einer langen Pandemie-Pause endlich wieder zu einer größeren Veranstaltung im repräsentativen Rahmen zusammenkommen kann.

Wir können zwar Corona-bedingt die zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten nicht voll auslasten. Aber wir haben gelernt, damit umzugehen. Daher auch allen, die an den Bildschirmen per Livestream zuschauen, ein Dankeschön fürs Dabeisein und ein herzliches Willkommen!

Meine Damen und Herren,

die Deutsche Islam Konferenz steht nicht am Anfang ihres Weges. Sie trägt seit 16 Jahren dazu bei, die Anliegen der Musliminnen und Muslime in Deutschland auf Augenhöhe zu besprechen.

Miteinander zu reden statt übereinander – das ist eine ihrer wichtigsten Errungenschaften. Die DIK ist das zentrale Forum für den Dialog und die Kooperation zwischen dem Staat und den Musliminnen und Muslimen in Deutschland geworden. Und: Sie ermöglicht und belebt den Austausch und die Verständigung der Muslime untereinander. Damit hat die DIK einen großen Anteil daran, dass sich Muslime und islamische Gemeinschaften in Deutschland akzeptiert fühlen und ihre Heimat selbst gestalten können.

So ist die Deutsche Islam Konferenz zu einem wichtigen Bestandteil unserer Politik für gesellschaftlichen Zusammenhalt geworden. Deshalb habe ich nach meinem Amtsantritt entschieden, dass ich die DIK fortsetzen, weiterentwickeln und stärken werde. Denn sie ist aus der Heimatpolitik unseres Landes nicht mehr wegzudenken, meine Damen und Herren!

Auf dem weiteren Weg der Deutschen Islam Konferenz können wir auf ein starkes Fundament bauen:

Die Islamkonferenz hat zur gesellschaftlichen Teilhabe von Musliminnen und Muslimen ganz entscheidend beigetragen: Die Frage des "Ob“ ist mittlerweile ganz klar beantwortet: mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht an öffentlichen Schulen, mit der Etablierung islamischer Theologie an unseren Universitäten, mit der wachsenden Beteiligung von Musliminnen und Muslimen an gesellschaftlichen Debatten, um nur einige Beispiele zu nennen.

Das alles erfährt in Staat und Gesellschaft breite Akzeptanz, meine Damen und Herren!

Dabei war immer klar: Die DIK ist der Rahmen für den Austausch, sie bringt Positionen zueinander, gibt Impulse, begleitet Prozesse – aber die operative Umsetzung liegt in unserem föderalen System in den meisten Fällen nicht bei ihr oder beim Bund, sondern bei den Ländern.

Andere wichtige Anliegen sind schon aus Gründen der Religionsfreiheit und des in der Verfassung verankerten Selbstbestimmungsrechts die Angelegenheit der religiösen Gemeinschaften selbst.

Deshalb ist es wichtig, dass die Deutsche Islam Konferenz immer wieder Verantwortliche aus islamischen Dachverbänden, muslimischen Initiativen, den Ländern und Kommunen, aus Ministerien, Behörden, Kirchen und der Wissenschaft zusammenbringt und damit die gemeinsame Arbeit an diesen Themen vorantreibt.

Meine Damen und Herren,

ich wünsche mir, dass die DIK ihre wichtige Rolle in der laufenden Legislaturperiode mit neuen Ideen und mit neuem Leben füllt!

Sie soll frische inhaltliche Anstöße geben, Motor der Diskussion über islampolitische Anliegen sein und den innermuslimischen Dialog fördern. Sie soll sich dafür einsetzen, dass ihre Impulse weiterverfolgt werden und die Teilhabe und Integration der Muslime voranbringen.

Um diese Ziele zu unterstützen, haben wir vor der heutigen Auftaktveranstaltung einen breiten Beteiligungsprozess durchgeführt – das war mir ein persönliches Anliegen. Viele von Ihnen waren am 5. Mai beim Werkstattgespräch dabei. Dort haben wir Sie gefragt, welche Themen Ihnen in der neuen DIK-Phase besonders wichtig sind.

Wichtig war uns dabei, dass die Impulse sehr konkret sind – und dass sie einen direkten Bezug zum muslimischen Leben und dem Miteinander von Muslimen und Nicht-Muslimen in Deutschland haben. Denn darum geht es jetzt: Wir wollen praktische, messbare Fortschritte erzielen!

Deshalb werden wir das flexible Arbeiten in unterschiedlichen Besetzungen und Formaten fortsetzen – und die festen, unveränderlichen Gremien früherer Islamkonferenzen hinter uns lassen.

Ein weiteres persönliches Anliegen für die neue Phase der DIK ist für mich, die Vielfalt des muslimischen Lebens abzubilden. Denn das muslimische Leben in Deutschland ist in den vergangenen Jahren bunter geworden: neue Initiativen und Foren sind entstanden, junge Menschen und gerade auch muslimische Frauen organisieren sich und verschaffen sich Gehör.

Muslimisches Leben ist ein ganz normaler Teil des Alltags in Deutschland. Es findet an ganz unterschiedlichen Orten statt: zum Beispiel in religiösen Gemeinschaften, in der sozialen Arbeit, in Jugendverbänden, in Wissenschaft und Medien, und natürlich auch in den großen Dachverbänden. Dieses breite Spektrum macht die Islamkonferenz in ihrer neuen Phase aus.

Die Regierungskoalition hat sich für die laufende Wahlperiode einiges vorgenommen:

  1. Wir wollen Muslimfeindlichkeit entschlossen bekämpfen.
  2. Wir wollen die Teilhabe der Muslime und der muslimischen Gemeinden verbessern.
  3. Wir wollen Fortschritte machen bei der Imam-Ausbildung.

Das alles ist im Koalitionsvertrag verankert. Ich nehme diese Aufträge sehr ernst, sie sind mir persönliche Anliegen und werden deshalb auch zentral für das Arbeitsprogramm der DIK sein.

Meine Damen und Herren,

viele Menschen in Deutschland sind jeden Tag von Rassismus betroffen. Für Musliminnen und Muslime gilt das oftmals doppelt: Sie erfahren Ablehnungen und Anfeindungen als Angehörige der islamischen Religion und oft auch als Menschen mit Einwanderungsgeschichte.

Ich habe gleich mit meinem Amtsantritt als Innenministerin deutlich gemacht: Ich stehe für den Kampf gegen jede Form von Rassismus, Extremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ein – und explizit auch gegen Muslimfeindlichkeit. Wir haben dazu bereits wichtige Vorhaben auf den Weg gebracht: Genannt seien nur der Aktionsplan gegen Rechtsextremismus und die Arbeit am Demokratiefördergesetz.

Für mich ist aber auch die Deutsche Islam Konferenz ein klares Zeichen an alle, die das nicht hören oder akzeptieren wollen: Die Musliminnen und Muslime in Deutschland und ihre Religion sind ein selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft – der Staat nimmt sich ihrer Anliegen an!

Als Reaktion auf Diskriminierungs-erfahrungen, Bedrohungen und rassistische Anschläge haben wir im Bundesinnenministerium den Unabhängigen Expertenkreis Muslimfeindlichkeit eingerichtet. Dort analysieren Expertinnen und Experten aktuelle Erscheinungsformen von Muslimfeindlichkeit – auch mit Blick auf Schnittmengen mit antisemitischen Haltungen und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.

Der Unabhängige Expertenkreis wird uns im Sommer des kommenden Jahres seinen Bericht über Muslimfeindlichkeit in Deutschland vorlegen und dabei konkrete Handlungsempfehlungen abgeben. Ich kann Ihnen schon jetzt versichern: Wir werden diese Handlungsempfehlungen sehr ernst nehmen und auch dafür sorgen, dass sie einen breiten öffentlichen Widerhall finden.

Denn dass Musliminnen und Muslime in Deutschland auf Grund ihrer Religion oder ihrer Herkunft diskriminiert werden, dürfen wir als Gesellschaft nicht akzeptieren!

Meine Damen und Herren,

wenn ich sage, dass Musliminnen und Muslime heute ein selbstverständlicher Teil unseres Landes sind, dann heißt das nicht, dass wir uns darauf ausruhen können. Sondern wir müssen beharrlich weiter daran arbeiten, ihre gesellschaftliche Teilhabe zu verbessern.

Wir wollen muslimisches Engagement sichtbarer machen und islamische Gemeinden noch besser in der Gesellschaft verankern. Denn um handlungsfähig und anerkannt zu sein, braucht es eigenständige, funktionierende und belastbare Strukturen. Diese Strukturen zu schaffen, zu erhalten und zu stärken, ist vor allem eine Aufgabe der Muslime und ihrer Gemeinden selbst. Aber die DIK kann hier begleiten, flankieren und dabei helfen, voneinander zu lernen.

Dabei ist für mich klar: Ob das Zusammenleben gelingt und ob Muslime gesellschaftlich teilhaben, entscheidet sich vor Ort! Deshalb unterstützen wir seit 2019 mit dem DIK-Förderansatz "Moscheen für Integration“ muslimische Gemeinden dabei, ihre sozialen Dienstleitungen z.B. in der Jugendarbeit zu professionalisieren und sich in ihrem Umfeld besser zu vernetzen.

Das Ziel dabei ist, dass Moscheegemeinden in ihrem nicht-muslimischen Umfeld als selbstverständlicher Teil der Nachbarschaften sichtbar werden und dass sie als gesellschaftliche Akteure anerkannt werden.

In diesem Prozess sehen wir, dass es in den Kreis- und Gemeindeverwaltungen ganz viel Interesse daran gibt, sich noch mehr auszutauschen und Wissen und Qualifizierung zu teilen. Deshalb möchte ich im Rahmen der DIK einen Erfahrungsaustausch in Gang bringen, der es interessierten Kommunen ermöglicht, bei islambezogenen Fragen voneinander zu lernen und neue Impulse zu setzen.

Darüber hinaus wird die DIK durch ihre Projektförderung weiter zivilgesellschaftliche muslimische Initiativen unterstützen – zum Beispiel solche, die sich der politischen Bildung, der Frauen- und Jugendarbeit oder dem gesellschaftlichen Dialog verschrieben haben.

Meine Damen und Herren,

die Deutsche Islam Konferenz hat – das habe ich bereits zu Beginn meiner Rede gesagt – einen entscheidenden Anteil daran, dass an deutschen Hochschulen Lehrstühle für islamische Theologie entstanden sind. Die Voraussetzungen für die praktische Ausbildung von Imamen sind also geschaffen.

Natürlich ist die Ausbildung ihres Personals eine Angelegenheit der religiösen Gemeinschaften selbst. Gleichzeitig halte ich es aber für integrationspolitisch wichtig, dass mehr in Deutschland sozialisierte und in deutscher Sprache ausgebildete Imame in islamischen Gemeinden tätig werden. Das ist auch im Interesse der Gemeinden selbst!

Um es klar zu sagen: Weniger ausländische Abhängigkeiten oder Einflussnahmen machen es deutschen Muslimen leichter, mit ihrem Glauben in Deutschland heimisch zu sein!

Größere islamische Dachverbände bilden ihr religiöses Personal schon jetzt selbst in Deutschland aus. Um auch weiteren Verbänden und Gemeinden die Ausbildung zu ermöglichen, hat sich 2019 im engen Austausch mit der DIK das Islamkolleg Deutschland gegründet. Es ist mittlerweile bundesweit in der Aus- und Fortbildung von Imamen, Gemeindepersonal und Seelsorgern tätig - gefördert im Rahmen der DIK.

Ein weiteres wichtiges Modellprojekt ist das Programm "Islam in der Sozialarbeit“ der Universität Münster, das durch die nordrhein-westfälische Landesregierung und das BMI kofinanziert wird. Das zeigt: Es ist etwas in Bewegung gekommen. Wir wollen in der DIK dieses Momentum nutzen und diesen Prozessen noch mehr Kraft geben.

Meine Damen und Herren,

ich will die staatliche Entsendung von Imamen aus dem Ausland nach Deutschland schrittweise reduzieren mit dem Ziel, sie zu beenden – daran arbeiten wir gerade intensiv.

Die Entsendung von Imamen nach Deutschland ist insbesondere ein Thema, das die Türkei betrifft. Wir sind deshalb mit den zuständigen Stellen in der Türkei – namentlich der Diyanet, der türkischen Religionsbehörde – im Dialog. Gerade letzte Woche hat die zuständige Staatssekretärin in meinem Haus, Frau Seifert, dazu Gespräche in Ankara geführt. Liebe Juliane, dafür danke ich dir herzlich und ich glaube, wir sind hier auf einem guten Weg!

Einen wichtigen Punkt im Arbeitsprogramm möchte ich noch ansprechen, nämlich die islamische Seelsorge in öffentlichen Einrichtungen. Hierzu hat die DIK 2017 bereits Empfehlungen abgegeben. Aber die Umsetzung liegt nicht in ihrer Hand, sondern im Falle der Gefängnisseelsorge bei den Ländern und im Falle der Militärseelsorge beim Bundesverteidigungsministerium.

Mein Ziel ist es, dass wir in dieser Legislaturperiode diesen Weg weitergehen und die Umsetzung der DIK-Empfehlungen spürbar voranbringen. Dazu sind wir mit dem Bundesverteidigungsministerium im Gespräch und ich bin zuversichtlich, dass bald ein seelsorgerisches Betreuungsangebot für Muslime geschaffen wird. Ich möchte, dass wir auch mit den Ländern daran arbeiten, die islamische Gefängnisseelsorge zu stärken und weiter auszubauen.

Meine Damen und Herren,

es ist ein ambitioniertes Arbeitsprogramm, dass wir in dieser neuen Phase der Deutschen Islam Konferenz angehen wollen. Denn zusätzlich zu den Vorhaben, die ich gerade skizziert habe, wird die DIK in Symposien, Workshops, Kooperationen und Projektförderungen auch viele weitere Fragen behandeln.

Ich finde, dass zum Beispiel auch das Thema Antisemitismus unter Muslimen aufgegriffen und kritisch diskutiert werden muss – gemeinsam mit dem Antisemitismus-Beauftragten der Bundesregierung. Dafür möchte ich mich gerne stark machen. Und auch Formen der Intoleranz unter Muslimen oder von Muslimen gegenüber anderen gesellschaftlichen Gruppen sollten in der DIK Thema sein – das ist mir sehr wichtig.

All denen, die sich fragen, warum ich die Bekämpfung von islamistischem Extremismus hier nicht angesprochen habe, möchte ich sagen: Das BMI und die gesamte Bundesregierung messen gemeinsam mit den Sicherheitsbehörden diesem Thema eine hohe Priorität bei – auch in Kooperation und im Dialog mit Muslimen und muslimischen Organisationen. Im Kampf gegen islamistischen Extremismus verfolgen wir einen ganzheitlichen Ansatz: Repression und Prävention greifen ineinander.

Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Deradikalisierungsarbeit. Bund und Länder fördern viele unterschiedliche Distanzierungs- und Deradikalisierungs-angebote im Bereich des religiös begründeten Extremismus – BMI-seitig zum Beispiel die Beratungsstelle "Radikalisierung“ des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Gemeinsam mit dem BAMF, der Forschungsstelle Terrorismus und Extremismus des BKA und dem Bundesverfassungsschutz entwickeln wir unsere Maßnahmen stetig weiter und erweitern auch unsere Wissensbasis durch praxisorientierte Forschung.

Klar ist aber auch: Die Islamkonferenz ist keine Sicherheitskonferenz. 2011 wurde der Themenbereich Prävention und Bekämpfung von Islamismus bewusst aus der DIK ausgelagert und als eigenständiger Sicherheitsdialog in der Abteilung Öffentliche Sicherheit im BMI etabliert. Ich unterstütze ausdrücklich die Entscheidung, Sicherheitsthemen aus der Islamkonferenz herauszuhalten. Denn Musliminnen und Muslime dürfen nicht unter einen allgemeinen Extremismusverdacht gestellt werden!

Meine Damen und Herren,

Sie, die Musliminnen und Muslime in Deutschland und Ihre Vertretungen, gehören mit Ihrem Glauben und ihrem Engagement in Deutschland dazu. Sie erwarten zurecht, dass Staat und Gesellschaft Sie einbinden und teilhaben lassen als selbstverständliche und gleichberechtigte Teile des Großen und Ganzen.

Umgekehrt gilt aber auch: Unsere Gesellschaft braucht Sie und Ihr Engagement – für die freiheitliche, pluralistische und partizipative Demokratie und den Zusammenhalt aller Bürgerinnen und Bürger. Das gilt besonders in Zeiten, in denen die Polarisierung zunimmt und unsere Demokratie jeden Tag aufs Neue gelebt und verteidigt werden muss.

Mein Appell an Sie lautet deshalb: Bringen Sie sich ein und beteiligen Sie sich an den Debatten unserer Zeit. Seien Sie verantwortlicher Teil einer aktiven Zivilgesellschaft. Gestalten, beleben und stärken Sie den Zusammenhalt in Deutschland und Europa aktiv mit – auch gegenüber den Diktaturen, Autokratien und Extremisten vor unseren Toren und in aller Welt.

Vielen Dank!