Neuer Lagebericht zu Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden: Verfassungsfeinde schnell erkennen und bekämpfen

Typ: Pressemitteilung , Datum: 01.07.2024

Bei 364 Beschäftigten konkrete Anhaltspunkte für Verstöße gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat heute den dritten Lagebericht Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden veröffentlicht. Dieser umfasst auch die Bereiche der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" sowie der "Verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates". 739 Fälle in Bund und Ländern wurden untersucht. Bei 364 Beschäftigten bestehen konkrete Anhaltspunkte für Verstöße gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Mit dem neuen Disziplinarrecht des Bundes, das seit dem 1. April 2024 in Kraft ist, sind deutlich schnellere Disziplinarverfahren in Bundesbehörden möglich.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser: "Extremisten haben in Sicherheitsbehörden nichts zu suchen. Der Ruf der überwältigenden Mehrheit der Beschäftigten, die Freiheit und Demokratie verteidigen, darf nicht unter wenigen Extremisten leiden. Vertrauen und Transparenz sind essenziell und jeder einzelne Fall ist einer zu viel. Die Integrität der Sicherheitsbehörden ist unbedingt zu schützen. Mit unserem neuen Disziplinarrecht, das seit April dieses Jahres gilt, können wir Disziplinarverfahren wesentlich schneller führen und so Verfassungsfeinde konsequent aus dem öffentlichen Dienst entfernen.

Das neue Lagebild zeichnet ein präzises Bild – und legt auch Netzwerke und Verbindungen zu rechtsextremistischen Organisationen offen. Es sind gemessen an mehr als 384.000 Beschäftigen allein im Bund wenige Fälle. Trotzdem schauen wir sehr genau hin und handeln. Denn vor allem der Zugriff auf Waffen und besondere Eingriffsbefugnisse müssen auch mit der notwendigen Kontrolle einhergehen. Hier bleiben wir wachsam und setzen auf einen Dreiklang aus Prävention, Detektion und konsequenter Reaktion."

BfV-Präsident Thomas Haldenwang: "Der dritte Lagebericht zu Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden zeigt, dass die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder aktiv und schnell gegen extremistische Verdachtsfälle vorgehen. Schon in den Vorjahren hatte das BfV die Bekämpfung rechtsextremistischer Bestrebungen im öffentlichen Dienst intensiviert. Der Bericht zeigt, dass diese Arbeit erfolgreich war. Die wachsende Sensibilisierung für das Thema Extremismus hat nicht nur zu einer erhöhten Meldebereitschaft, sondern auch zu einer niedrigschwelligen Verdachtsfallbearbeitung innerhalb der Behörden geführt. Außerdem hat die gute Zusammenarbeit zwischen den Landes- und Bundesbehörden dazu geführt, das Dunkelfeld extremistischer Sachverhalte weiter aufzuhellen. Es konnten Fälle detektiert werden, die dem Verfassungsschutzverbund bisher unbekannt waren.

Auch wenn wir hier nur über eine absolute Minderheit von Bediensteten sprechen, so gilt der Bekämpfung von Verfassungsfeinden in unseren Sicherheitsbehörden in jedem einzelnen Fall unsere volle Aufmerksamkeit.
Welche konkreten Gefahrenpotenziale von Extremisten ausgehen, die im öffentlichen Dienst tätig sind oder waren, hat die 'Reichsbürger'-Gruppierung um Heinrich XIII. Prinz Reuß gezeigt."

Der Lagebericht ist eine Fortschreibung der Berichte aus den Jahren 2020 und 2022. Er umfasst den Erhebungszeitraum vom 1. Juli 2021 bis zum 31. Dezember 2022. Damit umfasst der Bericht bis Ende des Jahres 2022 bekannt gewordene Fälle, die in der Folge ausgewertet wurden. Wie in den Vorjahren beteiligten sich die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder, indem sie Vorfälle zu Beschäftigten an die Verfassungsschutzbehörden meldeten, bei denen der Verdacht auf Bezüge zum Rechtsextremismus, zur "Reichsbürger"- und Selbstverwalter"-Szene und erstmals auch zum Phänomenbereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" besteht. Damit liefern die drei Lageberichte einen Überblick über die Fälle, die in den Jahren 2017 bis 2022 registriert und denen umfassend nachgegangen wurde. Insbesondere um die Öffentlichkeit in kurzen Abständen zu unterrichten, wurde der Erhebungszeitraum von bisher drei auf eineinhalb Jahre verringert.

Für den Bericht wurden insgesamt 739 Fälle, davon 210 Fälle bei Bundessicherheitsbehörden und 529 Fälle bei Landessicherheitsbehörden ausgewertet.

Zu den Bundessicherheitsbehörden zählen neben dem BfV die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt, die Bundestagspolizei, der Zoll, der Bundesnachrichtendienst und die Bundeswehr mit zusammen 384.100 Beschäftigten. Auf der Ebene der Sicherheitsbehörden der Länder kommen rund 306.000 weitere Beschäftigte hinzu.

In 49 Prozent der untersuchten Fälle (364 Beschäftigte) wurden tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gefunden. Davon entfallen auf die Bundessicherheitsbehörden 175, auf die Landessicherheitsbehörden 189 Fälle. Mit 79,4 % weist der weit überwiegende Teil Bezüge zum Rechtsextremismus auf, 10,7 % zur "Reichsbürger"- und "Selbstverwalter"-Szene, 4,9 % zur "Verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates". Mehr als die Hälfte der Verdachts- und erwiesenen Fälle sind so genannte Altfälle, also solche, die bereits im letzten Lagebericht ausgewiesen wurden. Dies ist auch eine Folge der bislang oft lang andauernden Disziplinar- und arbeitsrechtlichen Verfahren. Die Disziplinarverfahren im Bund können durch die – am 1. April 2024 in Kraft getretene – Reform des Bundesdisziplinargesetzes deutlich beschleunigt werden.

Für den vorherigen Lagebericht, der im Mai 2022 vorgelegt wurde, waren 860 Fälle ausgewertet worden, davon 176 Fälle bei Bundessicherheitsbehörden und 684 Fälle bei Landessicherheitsbehörden. Bei 327 Bediensteten waren (38 Prozent der geprüften Fälle) tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung festgestellt worden. Dabei handelte es sich im 2022 vorgelegten Lagebericht um 138 Fälle auf Bundes- sowie 189 Fälle auf Landesebene.

Die Beschäftigungsbehörden strengten in den im aktuellen Lagebericht genannten Fällen insgesamt 436 Disziplinar- oder arbeitsrechtliche Verfahren an. Dabei ist zu beachten, dass gegen einen Beschäftigten auch mehrere Verfahren geführt werden können.

Die häufigsten extremistischen Aktivitäten waren extremistische Äußerungen in Chats und auf Social-Media-Plattformen, politisch motivierte Beleidigungen sowie Kontakte zu oder Mitgliedschaften in extremistischen Organisationen und Parteien oder deren Unterstützung. In wenigen Fällen wurden gewaltorientierte Handlungen festgestellt.

Ein Schwerpunktthema des Lageberichtes war die vorgenommene umfassende Netzwerkanalyse zu Kennlinien der betroffenen Bediensteten in die extremistische Szene. Die Analyse zeigt, dass 185 Beschäftigte, die als Verdachts- oder erwiesene Fälle geführt werden, Verbindungen zu insgesamt 1.101 im Verfassungsschutz bereits bekannten extremistischen Akteuren wie Personen, Organisationen, aber auch Chatgruppen haben.

Das Lagebild ist unter www.verfassungsschutz.de abrufbar.

Der Platz vor dem Dienstgebäude am Moabiter Werder

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