FAQ zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems

Typ: FAQ

Allgemeines

Die Präsidentin des Europäischen Parlaments und der Präsident des Rates haben am 14. Mai 2024 die Gesetzgebungsakte der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) unterzeichnet. Zuvor am selben Tag hat der Rat der Europäischen Union grünes Licht gegeben. Das Europäische Parlament hatte den Reformvorschlägen bereits am 10. April 2024 zugestimmt. Nach langjährigen und intensiven Verhandlungen ist es damit gelungen, das Reformvorhaben erfolgreich abzuschließen.

Zum Inkrafttreten der insgesamt 10 Rechtsakte bedarf es nun noch deren Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union. Nach Inkrafttreten müssen mit Ausnahme der Resettlement-Verordnung die Rechtsakte innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten angewendet bzw. umgesetzt werden.

Welche Rechtsakte gehören zur Reform des gemeinsamen Europäischen Asylsystems?

Zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems gehören folgende Rechtsakte: Die Asylverfahrens-Verordnung, die Rückkehrgrenzverfahrens-Verordnung, die Verordnung über ein Asyl- und Migrationsmanagement, die EURODAC-Verordnung, die Screening- bzw. Screening-Folgeverordnung, die Krisen-Verordnung, die Aufnahme-Richtlinie, die Anerkennungs-Verordnung, die Resettlement-Verordnung sowie die EU-Asylagentur-Verordnung.  

Die Asylverfahrens-Verordnung soll die bisherige Asylverfahrens-Richtlinie ablösen und die Asylverfahren innerhalb der EU stärker vereinheitlichen. Ziel der Verordnung ist es, dass die Asylverfahren in der EU effektiver, schneller und kohärenter werden. Als wesentliche Neuerungen sieht die Asylverfahrens-Verordnung z.B. eine verpflichtende Bereitstellung unentgeltlicher Rechtsauskunft im Verwaltungsverfahren durch die Mitgliedstaaten vor sowie die Einführung verpflichtender Verfahren an den europäischen Außengrenzen für bestimmte Personengruppen. In Ergänzung hierzu steht die Rückkehrgrenzverfahrens-Verordnung, die das Verfahren an der Grenze nach Ablehnung des Asylantrags im Verfahren an der Außengrenze festlegt.

Die Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement regelt einen breiten Ansatz zur Steuerung der Migrationsbewegungen nach und innerhalb Europas. Neben der Einführung eines gemeinsamen Rahmens für das Asyl- und Migrationsmanagement enthält die Verordnung auch Regelungen zur Reformierung der Zuständigkeitsverteilung des bisherigen "Dublin-Systems", also zur Frage, welcher Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist. Das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren wurde an einigen Stellen beschleunigt und neue Zuständigkeitskriterien geschaffen. Zugleich sollen die Mitgliedstaaten, die unter Migrationsdruck stehen, durch einen verpflichtenden und dauerhaften Solidaritätsmechanismus entlastet werden, der aber hinsichtlich der Wahl der Beiträge (Relocation, d.h. Übernahme von Personen, finanzielle oder alternative Beiträge) flexibel ist.

Die EURODAC-Verordnung enthält Regelungen zur Speicherung von personenbezogenen Daten von Asylantragstellern und weiteren, in der Verordnung konkret benannten Personengruppen in der EURODAC-Datenbank. Auf diese haben sämtliche Mitgliedsstaaten Zugriff. Dadurch soll z.B. der für die Prüfung eines Asylantrags zuständige Mitgliedstaat leichter festgestellt und irreguläre Sekundärmigration innerhalb der EU nachvollzogen und reduziert werden können. Zudem wird es zukünftig neue Möglichkeiten geben, Migrationsbewegungen einschließlich irregulärer Sekundärmigration innerhalb der EU statistisch zu erfassen.

Die Screening-Verordnung sieht als wesentliche Neuerung vor, dass alle Personen, die irregulär in die EU einreisen, ein effizientes und verpflichtendes Screening innerhalb einer kurzen, wenige Tage dauernden Zeitspanne durchlaufen. Ziel ist es zu kontrollieren, wer das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten betritt. Die Personen werden identifiziert, registriert, einer Sicherheits- und Gesundheitskontrolle unterzogen, auf besondere Schutzbedürftigkeit überprüft und schließlich dem passenden Verfahren zugeleitet. Die Screening-Folgeverordnung enthält Folgeänderungen zur Screening-Verordnung.

Die Krisen-Verordnung schafft erstmals einen Rechtsrahmen für die Mitgliedstaaten, um auf Krisensituationen und Situationen höherer Gewalt reagieren zu können. Der Begriff der Krisensituation umfasst sowohl außergewöhnliche Situationen von Massenankünften als auch Instrumentalisierungssituationen, in denen Personen durch Drittstaaten oder nichtstaatliche Akteure mit dem Ziel, die Union oder einen Mitgliedstaat zu destabilisieren, instrumentalisiert werden. Die Krisen-Verordnung enthält einen Maßnahmenkatalog, der je nach vorherrschender Situation herangezogen werden kann. Dadurch soll vermieden werden, dass sich Mitgliedstaaten in diesen Situationen eigene Regeln schaffen. Gleichzeitig wird damit die Funktionsfähigkeit des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems auch in diesen außergewöhnlichen Situationen sichergestellt.

Die Aufnahme-Richtlinie enthält Regelungen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, u.a. Zugang zum integrierten Schulsystem und zu Sprachkursen, zum Arbeitsmarkt, zur Gesundheitsversorgung, aber auch Regelungen bzw. Voraussetzungen für Haft. Ziel der Richtlinie ist die Harmonisierung und Gewährleistung menschenwürdiger Aufnahmebedingungen (Mindeststandards) in den Mitgliedstaaten.

Die Anerkennungs-Verordnung soll einen einheitlichen internationalen Schutzstatus regeln und die Qualifikations-Richtlinie ersetzen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes oder des subsidiären Schutzes wird somit für alle Mitgliedstaaten gleich geregelt. Hierdurch sollen u.a. die Anerkennungsquoten und die Entscheidungspraxis innerhalb der EU vereinheitlicht werden. Auch diese Regelungen sollen zur Reduzierung irregulärer Sekundärmigration beitragen.

Mit der Resettlement-Verordnung soll das Thema Resettlement ("Neuansiedlung") und humanitäre Aufnahmen harmonisiert werden, indem EU-weit gültige einheitliche Regelungen für eine legale und sichere Einreise von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen festlegt werden. Es handelt sich dabei um ein migrationspolitisches Instrument, mit dem perspektivisch die irreguläre Migration in die EU verringert werden soll.

Zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) gehört auch die EU-Asylagentur-Verordnung, mit der das ehemalige Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) in eine echte EU-Agentur umgewandelt wurde. Die Verordnung ist bereits im Januar 2022 in Kraft getreten und regelt u.a. einen Monitoringmechanismus, mit dem die EU-Asylagentur (EUAA) die operative und technische Anwendung des GEAS überwacht, um eine einheitliche Umsetzung des GEAS zu gewährleisten. Ein Teil dieses Mechanismus gilt ab dem Jahr 2024, der andere Teil ab Inkrafttreten der Asyl- und Migrationsmanagement-Verordnung.

Wie ist der Sachstand zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und ab wann gelten die Regelungen der neuen Rechtsakte?

Nach Unterzeichnung des Reformpakets durch die Präsidenten des Europäischen Parlaments und des Rats vom 14. Mai 2024 bedarf es noch deren Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union, was voraussichtlich noch im Mai erfolgen wird. Anschließend treten die Rechtsakte am 20. Tag nach der Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft.

Mit Ausnahme der Resettlement-Verordnung beträgt die Frist zur Anwendbarkeit bzw. Umsetzung der Rechtsakte grundsätzlich zwei Jahre nach dem Inkrafttreten. Hintergrund ist, dass die Mitgliedstaaten über ausreichend Zeit verfügen können müssen, um die neuen Regelungen umzusetzen.

Um die ordnungsgemäße Umsetzung zu unterstützen, sehen die Asylverfahrens-Verordnung sowie die Asyl- und Migrationsmanagement-Verordnung vor, dass sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler Ebene sog. Umsetzungspläne erarbeitet werden. Hierfür soll die Europäische Kommission in einem ersten Schritt einen unionsweiten Umsetzungsplan erstellen. Dies soll in enger Zusammenarbeit mit den einschlägigen Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union, wie beispielsweise der Asylagentur der Europäischen Union (EUAA), und den Mitgliedstaaten geschehen. Der Umsetzungsplan soll drei Monate nach Inkrafttreten der Rechtsakte dem Rat vorgelegt werden. Anschließend sollen auf dieser Grundlage innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten der Rechtsakte nationale Umsetzungspläne durch die Mitgliedstaaten erstellt werden.

In Deutschland werden umfassende rechtliche und tatsächliche Anpassungen notwendig sein, um die GEAS-Reform umzusetzen. So sind in rechtlicher Hinsicht u.a. das Asylgesetz anzupassen und ggf. teilweise auch das Aufenthaltsgesetz. Das Bundesministerium des Innern und für Heimat prüft derzeit die entstehenden Handlungsbedarfe, um zeitnah die erforderlichen Schritte einzuleiten, damit die GEAS-Reform erfolgreich umgesetzt wird.

Zur Asylverfahrens-Verordnung

Warum sollen Asylverfahren bereits an der Außengrenze stattfinden?

Nach der Asylverfahrens-Verordnung kann in bestimmten Fällen eine Entscheidung über den Asylantrag im Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen erfolgen. In einigen Fällen ist das Grenzverfahren auch verpflichtend durchzuführen. Ziel der Verfahren an den EU-Außengrenzen ist die schnelle, aber rechtsstaatliche Durchführung der Asylverfahren für Personen, die voraussichtlich keinen Anspruch auf internationalen Schutz in der EU haben.

Für welche Personen ist das Verfahren an der Außengrenze vorgesehen?

Neu eingeführt werden verpflichtende Grenzverfahren für bestimmte Personengruppen: für Personen, die die Behörden etwa über ihre Identität getäuscht haben, Personen, die eine Gefahr für die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung darstellen und Personen aus Herkunftsstaaten, bei denen in Bezug auf deren Asylantrag eine durchschnittliche EU-weite Schutzquote von 20 % oder weniger vorliegt. Ausdrücklich vom Grenzverfahren ausgenommen sind unbegleitete Minderjährige, sofern sie keine Sicherheitsgefahr darstellen. Bei Personen mit besonderen Aufnahme- bzw. Unterbringungsbedürfnissen oder besonderen Verfahrensbedürfnissen wird das Grenzverfahren nicht durchgeführt oder beendet, wenn diese Bedürfnisse im Grenzverfahren nicht berücksichtigt werden können. Dies kann z.B. bei Schwangeren, Minderjährigen oder Menschen mit Behinderungen der Fall sein. Auch zwingende medizinische Gründe können zur Nichtanwendung des Grenzverfahrens führen. Den besonderen Bedürfnissen von Minderjährigen und ihren Familienangehörigen werden im Grenzverfahren durch Priorisierungen in zweierlei Hinsicht Rechnung getragen. Zum einen sollen Minderjährige und ihre Familienangehörige nicht vorrangig vom Grenzverfahren umfasst werden und zum anderen sollen ihre Verfahren schnellstmöglich bearbeitet werden, wenn sie doch dem Grenzverfahren unterfallen.

Wie wird sichergestellt, dass bei Durchführung des Grenzverfahrens keine Überlastung an den EU-Außengrenzen entsteht?

Zur Vermeidung von Überlastungen sieht die Asylverfahrens-Verordnung verschiedene Mechanismen vor, u.a. eine unionsweite angemessene Kapazität für die Durchführung von verpflichtenden Grenzverfahren in Höhe von 30.000 sowie eine jährliche Höchstzahl an Anträgen, die im verpflichtenden Grenzverfahren zu prüfen sind (ab Anwendung der Asylverfahrens-Verordnung sind unionsweit maximal 60.000 Anträge im Grenzverfahren zu prüfen, ein Jahr nach dem Geltungsbeginn der Verordnung maximal 90.000 Anträge und zwei Jahre nach Geltungsbeginn der Verordnung maximal 120.000 Anträge). Die Dauer des Grenzverfahrens beträgt grundsätzlich zwölf Wochen. Eine Verlängerung um weitere vier Wochen ist nur für den Fall einer vorherigen Übernahme der betreffenden Person im Rahmen des Solidaritätsmechanismus (Relocation) vorgesehen. Auch wird es eine Überwachung der Grenzverfahren geben, insbesondere mit Blick auf die Einhaltung von Grundrechten (Monitoring-Mechanismus).

Wie wird effektiver Rechtsschutz im Grenzverfahren gewährleistet?

Auch im Grenzverfahren werden menschen- und rechtstaatliche Grundsätze eingehalten. Gegen eine ablehnende Entscheidung über den Asylantrag besteht auch im Grenzverfahren die Möglichkeit, einen Rechtsbehelf einzulegen. Wird ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt, kann eine Rückführung nur erfolgen, wenn hierüber eine ablehnende Entscheidung ergangen ist.

Besteht im Grenzverfahren für Schutzsuchende Zugang zu Nicht-Regierungsorganisationen und rechtlicher Beratung?

Die Mitgliedstaaten müssen im Grenzverfahren den Zugang von Nichtregierungsorganisationen und Rechtsanwälten gewährleisten, auch vor einer konkreten Mandatserteilung. Die Antragsteller haben zudem auch im Grenzverfahren einen Anspruch auf unentgeltliche Rechtsauskunft im Verwaltungsverfahren unter Berücksichtigung ihrer besonderen Situation, wenn sie keinen Rechtsanwalt beauftragt haben.

Setzt die Durchführung des Grenzverfahrens eine Inhaftnahme von Schutzsuchenden voraus?

Das Grenzverfahren und die damit einhergehende Fiktion der Nichteinreise nach dem Entwurf der Asylverfahrens-Verordnung sind nicht pauschal mit Haft gleichzusetzen. Vielmehr bedarf es auch im Grenzverfahren einer Anordnung der Haft im Einzelfall nach den Maßstäben der künftigen Aufnahme-Richtlinie.

In welchen Fällen sollen Asylanträge in Staaten außerhalb der EU geprüft werden?

Mit der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems wird auch das sogenannte Sichere-Drittstaaten-Konzept überarbeitet. Kann eine Person wirksamen Schutz in einem Drittstaat erhalten, d.h. der Drittstaat die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert hat oder grundlegende Standards des Flüchtlingsrechts garantiert, und besteht zwischen dem Antragsteller und diesem Drittstaat eine Verbindung, etwa, weil sich dort Familienangehörige aufhalten oder die Person sich dort bereits niedergelassen hatte, kann der Asylantrag als unzulässig abgelehnt werden. Für die Beibehaltung des Verbindungselements hatte sich die Bundesregierung bereits in den Verhandlungen im Rat eingesetzt.

Es wird auch sichergestellt, dass kein Mensch in ein Land zurückgewiesen werden darf, in dem ihm politische Verfolgung oder eine unmenschliche Behandlung drohen (non-refoulement-Gebot). Außerdem muss stets im Einzelfall geprüft werden, ob das Konzept für den jeweiligen Antragsteller anwendbar ist.

Warum soll es beim Konzept des sicheren Drittstaats bereits ausreichen, wenn nur Teilgebiete eines Drittstaates sicher sind?

Die Möglichkeit der Einstufung nur von bestimmten Teilgebieten bzw. für bestimmte Personengruppen hat sehr hohe praktische Relevanz. Es sollen diejenigen geschützt werden, die auch tatsächlich diesen Schutz benötigen. In manchen Teilgebieten können beispielsweise Menschen mit einer bestimmten Glaubensrichtung ohne Furcht vor Verfolgung leben, aber als Mensch mit einer anderen Glaubensrichtung ist eine Angst vor Verfolgung real.

Zur Asyl- und Migrationsmanagement-Verordnung

Wie sieht der gemeinsame Rahmen für das sog. Asyl- und Migrationsmanagement aus?

Das sogenannte Gesamtkonzept für das Asyl- und Migrationsmanagement umfasst sowohl interne als auch externe Komponenten, durch die ein abgestimmtes Vorgehen von Europäischer Union und Mitgliedstaaten sichergestellt werden soll, ohne die jeweiligen Kompetenzen einzuschränken. Zu den internen Komponenten zählen etwa die enge Zusammenarbeit zwischen den Organen und Einrichtungen der Union, den Mitgliedstaaten und internationalen Organisationen oder ein effektives Außengrenzmanagement. Im externen Bereich geht es um den Aufbau und die Förderung von maßgeschneiderten Partnerschaften mit Drittstaaten. Betont werden insbesondere die Notwendigkeit einer integrierten Politikgestaltung und der Grundsatz der Solidarität und der gerechten Teilung der Verantwortung.

Um zu gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten ein effektives nationales Asyl- und Migrationsmanagement betreiben, sieht die Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement die Erstellung nationaler Strategien vor, die insbesondere präventive Maßnahmen zur Verringerung des Risikos von Migrationsdruck sowie Maßnahmen zur Notfallplanung enthalten.

Aufbauend auf diesen nationalen Strategien soll die Europäische Kommission eine auf fünf Jahre angelegte europäische Strategie zur Asyl- und Migrationssteuerung erstellen, um eine kohärente Umsetzung der nationalen Strategien sicherzustellen.

Warum wurden die Regelungen zum Zuständigkeitsbestimmungsverfahren (ehem. "Dublin-III-Verordnung") angepasst?

Ein wichtiger Baustein der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems sind auch die Nachfolgeregelungen der derzeitigen "Dublin-III-Verordnung", die regelt, welcher Mitgliedstaat für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist. Die aktuellen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Dublin-III-Verordnung haben gezeigt, dass das derzeitige System dysfunktional ist. Die Regelungen der Dublin-III-Verordnung wurden überarbeitet, damit sie in der Praxis besser funktionieren. Der häufig vorgebrachten Kritik an den bisherigen Dublin-Regelungen, dass sie zu einer einseitigen Belastung insbesondere der EU-Außengrenzstaaten führen, wird im Rahmen der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems Rechnung getragen, indem ein dauerhafter und verpflichtender europäischer Solidaritätsmechanismus eingeführt wird.

Welche wesentlichen Änderungen gibt es beim Zuständigkeitsbestimmungsverfahren?

Als Zielstaat irregulärer Sekundärmigration liegt ein Fokus Deutschlands auf funktionierenden Zuständigkeitsbestimmungsverfahren mit möglichst langen Zuständigkeiten und Überstellungsfristen. Hierfür hat sich die Bundesregierung in den Verhandlungen eingesetzt.

Mit der Asyl- und Migrationsmanagement-Verordnung wird nunmehr ein vereinfachtes Notifizierungsverfahren eingeführt, das solche Verfahren beschleunigen soll, in denen Schutzsuchende bereits in einem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben. Darüber hinaus wurden einige Zuständigkeitsfristen verlängert, so dass zum einen Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten weniger schnell übergehen und zum anderen Überstellungen länger möglich sind, bspw. wenn sich Schutzsuchende diesen entziehen.

Wem und in welcher Form soll zukünftig Solidarität geleistet werden?

Die mit der Aufnahme von Schutzsuchenden verbundenen Lasten müssen auf die Mitgliedstaaten fair verteilt werden. Erstmals wird auf europäischer Ebene ein dauerhafter und verpflichtender Solidaritätsmechanismus geregelt, bei dem die Wahl der Beiträge (Relocation, d.h. Übernahmen von Personen, oder alternative oder finanzielle Beiträge) den Mitgliedstaaten freisteht. Der Solidaritätsmechanismus beruht auf einem fairen Schlüssel (der Solidaritätsbeitrag wird als "fair share" bezeichnet und berechnet sich nach Bevölkerungszahlt/BIP) und soll sicherstellen, dass EU-Mitgliedstaaten, die unter Migrationsdruck stehen, von anderen EU-Mitgliedsstaaten entlastet werden.

Wie viele Schutzsuchende werden im Rahmen des Solidaritätsmechanismus jährlich verteilt?

Auf Basis eines Vorschlags der Europäischen Kommission zum sogenannten Solidaritätspool soll nach der Asyl- und Migrationsmanagement-Verordnung eine EU-weite jährliche Mindestzahl in Höhe von 30.000 Relocations (Übernahmen von Personen) und finanzieller Beiträge in Höhe von 600 Millionen EUR festgelegt werden, um die Vorhersehbarkeit der zur Verfügung stehenden Solidarität zu gewährleisten. Basierend auf ihrem "fair-share" sind die beitragenden Mitgliedstaaten verpflichtet, den zu entlastenden Mitgliedstaaten, die unter Migrationsdruck stehen, Solidarität zu leisten, wobei es den beitragenden Mitgliedstaaten offensteht, die Art des Beitrags oder eine Kombination von Beiträgen frei zu wählen. Sollte es der Bedarf des unter Migrationsdruck stehenden Mitgliedstaats erfordern, können die zu leistenden Solidaritätsbeiträge auf Vorschlag der Kommission erhöht werden. Geraten Mitgliedstaaten, die Solidaritätsbeiträge leisten, selbst unter Migrationsdruck, können die Beträge reduziert oder sogar ausgesetzt werden, um ein Ungleichgewicht zwischen den Mitgliedstaaten vorzubeugen.

Handelt es sich bei den vorgesehenen Solidaritätsbeiträgen um gleichwertige Beiträge? Wie werden die alternativen Solidaritätsmaßnahmen gezählt?

Bei den vorgesehenen Solidaritätsbeiträgen (Relocation, d.h. Übernahmen von Personen, oder alternative oder finanzielle Beiträge) handelt es sich um gleichwertige Beiträge.

Die zur Solidarität verpflichteten Mitgliedstaaten können neben Relocations oder finanziellen Beiträgen auch alternative Solidaritätsmaßnahmen leisten, die in erster Linie auf Kapazitätsaufbau, Dienstleistungen, Personalunterstützung, Einrichtungen und technische Ausrüstung (z.B. in den Bereichen Registrierung oder Aufnahme) ausgerichtet sind, sofern solche Solidaritätsmaßnahmen von den zu entlastenden Mitgliedstaaten benötigt werden. Diese Maßnahmen werden als finanzielle Solidarität betrachtet; ihr finanzieller Wert wird objektiv bemessen und umgerechnet. Werden solche Maßnahmen nicht von den zu entlastenden Mitgliedstaaten benötigt, werden sie in direkte Finanzbeiträge umgewandelt.

Zur EURODAC-Verordnung

Welche Ziele werden mit den Anpassungen der EURODAC-Verordnung verfolgt?

EURODAC soll zu einer echten Migrationsdatenbank ausgebaut werden, um unerlaubte Wanderungsbewegungen innerhalb der EU besser und vollständiger nachvollziehen zu können. Neben Schutzsuchenden und irregulär eingereisten Personen sollen in Zukunft auch Daten weiterer Personengruppen in EURODAC gespeichert werden. Ziel der Anpassungen ist es, die wirksame und effiziente Anwendung des zukünftigen Rechtsrahmens zu gewährleisten und irreguläre Sekundärmigration zu reduzieren. Zugleich soll die Interoperabilität mit anderen IT-Großsystemen der EU hergestellt werden.

Die Mitgliedstaaten sollen mit den neuen Anpassungen zudem in die Lage versetzt werden, Kennzeichnungen in EURODAC vorzunehmen, wenn während der Überprüfung der Personen auf Grundlage anderer Rechtsakte Sicherheitsbedenken auftreten. Unter bestimmten Bedingungen kann ein Abgleich von Fingerabdruckdaten mit EURODAC-Daten auch zur Verhütung, Aufdeckung und Ermittlung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten erfolgen.

Welche Personengruppen werden in Zukunft in EURODAC eingespeichert?

Durch die EURODAC-Verordnung werden neben Daten von Schutzsuchenden und Personen, die irregulär über die EU-Außengrenzen eingereist sind, zukünftig auch Daten von Personen in EURODAC gespeichert, die sich illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhalten, die aus Seenot gerettet oder im Rahmen eines nationalen oder EU-Resettlement-Programms aufgenommen wurden sowie von Personen mit temporärem Schutzstatus. Von Personen, die im Rahmen von Resettlement-Programmen aus Drittstaaten übernommen werden sollen, können die Daten bereits im Drittstaat genommen und mit den in EURODAC gespeicherten Daten abgeglichen werden. Dadurch erhalten die zuständigen Behörden bereits vor der Entscheidung über die Aufnahme ein umfassendes Bild über die Person, einschließlich möglicher Sicherheitsrisiken.

Daten von Personen mit temporärem Schutzstatus sollen erst nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren nach Inkrafttreten der neuen EURODAC-Verordnung in EURODAC gespeichert werden. Diese Regelung soll von der Europäischen Kommission überprüft und ggf. angepasst werden.

Werden die Daten ukrainischer Staatsangehöriger, die seit Beginn des russischen Angriffskriegs aus der Ukraine vor dem Krieg in die EU geflohen sind, in EURODAC gespeichert?

Ukrainische Kriegsflüchtlinge erhalten einen temporären Schutzstatus in der EU. Grundlage ist ein Beschluss nach der Richtlinie über den vorübergehenden Schutz im Jahr 2022. Daten von Ukrainerinnen und Ukrainern werden allerdings derzeit nicht in EURODAC gespeichert, weil nach der bisherigen EURODAC-Verordnung nur Daten von Asylantragstellern gespeichert werden. Die Daten temporär schutzberechtigter Ukrainerinnen und Ukrainer werden zurzeit in einer speziellen Plattform auf EU-Ebene gespeichert. Wird in Zukunft und nach Ablauf der dreijährigen Übergangsfrist erneut ein Beschluss nach der Richtlinie über den vorübergehenden Schutz gefasst, sollen die Daten der hiervon erfassten Personen allerdings ebenfalls in EURODAC gespeichert werden (vorbehaltlich einer etwaigen Anpassung durch die Europäische Kommission). EURODAC wird damit zu einer umfassenderen Migrationsdatenbank aufgewertet.

Werden Daten von Kindern in EURODAC gespeichert?

Auch die biometrischen Daten von Kindern ab einem Alter von sechs Jahren sollen künftig in EURODAC gespeichert werden. Durch diese Änderung wird das neue System dazu beitragen, die Sicherheit von Kindern zu verbessern, indem Straftaten zum Nachteil von Kindern aufgedeckt und verhindert werden. EURODAC soll dazu beitragen, Fälle von Menschenhandel und Ausbeutung aufzudecken und Familienbeziehungen herzustellen, falls ein Kind vermisst wird.

Zur Screening-Verordnung

Was versteht man unter "Screening" an den EU- Außengrenzen?

Das Screening gilt für Personen, die die Voraussetzungen für die Einreise in einen EU-Mitgliedstaat nicht erfüllen, die bei der irregulären Einreise in die EU außerhalb der Grenzübergangsstellen oder bei der Ausschiffung nach einer Such- und Rettungsaktion aufgegriffen wurden oder die an einem Grenzübergang internationalen Schutz beantragt haben. Es darf höchstens sieben Tage dauern. Das Screening umfasst die Identifizierung der Personen, Gesundheits- und Sicherheitsüberprüfungen, die Abnahme von biometrischen Daten und die Registrierung in der EURODAC-Datenbank. Außerdem wird geprüft, ob die Personen besonders schutzbedürftig sind, etwa ob sie Opfer von Folter geworden sind.

Wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Screening an der Außengrenze umgangen wurde, muss es dann im Inland nachgeholt werden?

Das Screening muss im Inland nachgeholt werden, wenn es noch nicht (z.B. in einem anderen Mitgliedstaat) erfolgt ist und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die erst im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats angetroffene Person die Außengrenze überschritten hat, um erlaubt (z.B. mit einem Visum) einzureisen. Die maximale Dauer des Screenings beträgt in diesen Fällen drei Tage.

Welche Vorteile bietet das Screening?

Durch das Screening vor der Einreise wird sich schneller feststellen lassen, welches das richtige Verfahren für die Drittstaatsangehörigen ist (reguläres Asylverfahren, Grenzverfahren oder Rückführungsverfahren). Sicherheitsrisiken können frühzeitig identifiziert und über europäische Datenbanken mit anderen Mitgliedstaaten geteilt werden. Gesundheitliche Bedürfnisse und Vulnerabilitäten können durch vorläufige Gesundheitskontrollen frühzeitig erkannt und Personen schnell versorgt oder aus Gründen der öffentlichen Gesundheit isoliert werden. Durch den Entwurf der Verordnung werden gemeinsame Standards geschaffen, die auch die Einhaltung der Grund- und Menschenrechte sicherstellen.

Gibt es im Screening-Verfahren einen Monitoring-Mechanismus?

Im Screening sollen die Grundrechte der betroffenen Personen mithilfe eines von den Mitgliedstaaten einzurichtenden unabhängigen Überwachungsmechanismus geschützt werden.

Zur Krisen-Verordnung

Welche Krisensituationen werden in der Krisen-VO geregelt und warum bedarf es besonderer Regelungen für Krisensituationen?

Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass es immer wieder zu unvorhergesehenen Situationen kommen kann, in denen in relativ kurzer Zeit besonders viele Menschen Schutz in der EU suchen oder in denen es besondere Situationen gibt, die die ganze Welt betreffen, wie etwa die Corona-Pandemie. Um diesen besonderen Situationen gerecht werden zu können, bedarf es bestimmter Regeln, die die Mitgliedstaaten anwenden können, etwa weil sie es nicht schaffen, alle Ankommenden im Rahmen der üblichen Fristen zu registrieren. Die Regelungen der Krisen-Verordnung geben für diese besonderen Situationen einen Rahmen vor, um zu vermeiden, dass sich die Mitgliedstaaten in solchen Situationen eigene Regeln schaffen oder das Asylsystem überlastet wird.

Wie wird eine Krisensituation festgestellt und wer entscheidet darüber?

Die Anwendung der Instrumente nach der Krisen-Verordnung erfolgt in einem zweistufigen Verfahren. Zunächst obliegt es der Europäischen Kommission, festzustellen, ob eine Krisensituation vorliegt, anschließend legt der Rat mit qualifizierter Mehrheit fest, welche Instrumente der Krisen-Verordnung unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in der konkret vorliegenden Situation zur Anwendung gelangen sollen.

Welche Maßnahmen können die Mitgliedstaaten in Krisensituationen ergreifen?

Nach der Krisen-Verordnung werden den Mitgliedstaaten für bestimmte Krisensituationen Instrumente an die Hand gegeben, damit sie den hieraus entstehenden Herausforderungen besser begegnen können. Sie erhalten hierfür einen Maßnahmenkatalog, der von Abweichungen vom Grenzverfahren, über Verlängerung der Registrierungsfristen bis hin zu ergänzenden Solidaritätsmaßnahmen reicht. Ziel ist es, flexibel und bedarfsorientiert auf besondere Situationen zu reagieren, um die Funktionsfähigkeit des GEAS aufrecht zu erhalten.

Werden grundlegende Standards auch in Krisensituationen gewährleistet?

Auch in Krisensituationen soll die künftige Aufnahme-Richtlinie gelten, die Mindeststandards hinsichtlich Unterbringung, medizinischer Versorgung und Zugang zu Bildung regeln wird.

Welche Solidaritätsmaßnahmen sind im Fall einer Krise vorgesehen?

Auch im Rahmen der Krisen-Verordnung gilt ein verpflichtender Solidaritätsmechanismus; dieser wird in bestimmten Situationen sogar um einen speziellen Solidaritätsplan ergänzt. Insoweit ist es auch möglich, dass diejenigen Mitgliedstaaten, die sich im Rahmen der Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement zu Übernahmen von Personen (Relocation) bereit erklärt haben, über den "fair share" hinaus Personen übernehmen. So ist sichergestellt, dass belastete Mitgliedstaaten auch in Krisensituationen entlastet werden, wenn dies erforderlich ist. Leistet ein Mitgliedstaat allerdings Solidarität in Form von Übernahme von Personen über den "fair share" hinaus, werden diese Solidaritätsbeiträge in den darauffolgenden Jahren im Rahmen des regulären Solidaritätsmechanismus nach der Asyl- und Migrationsmanagement-Verordnung angerechnet. Darüber hinaus können auch finanzielle oder alternative Solidaritätsbeiträge in Krisensituationen geleistet werden.

Stand: 14.05.2024