Teilnahme von Parteien an Bundestags- und Europawahlen
Artikel Verfassung
Parteien können mit eigenen Wahlvorschlägen an Bundestags- und Europawahlen teilnehmen.
Teilnahme an Bundestagswahlen
Die Teilnahme von Parteien an Bundestagswahlen ist in den Vorschriften des 4. Abschnittes des Bundeswahlgesetzes (BWG) und in den §§ 32 ff. der Bundeswahlordnung (BWO) geregelt.
Um an einer Bundestagswahl mit eigenen Wahlvorschlägen teilnehmen zu können, muss eine Partei im Deutschen Bundestag oder in einem Landtag seit der letzten Wahl ununterbrochen aufgrund eigener Wahlvorschläge mit mindestens 5 Abgeordneten vertreten gewesen sein.
Ist dies nicht der Fall, muss die Partei spätestens am 97. Tag vor der Wahl dem Bundeswahlleiter ihre Beteiligung schriftlich anzeigen. Der Bundeswahlausschuss entscheidet dann darüber, ob die Vereinigung als Partei im rechtlichen Sinne anzuerkennen ist (§ 18 Abs. 2 BWG in Verbindung mit § 2 Parteiengesetz (PartG).
Nach der Anerkennung kann die Partei mit eigenen Kreiswahlvorschlägen in den Wahlkreisen sowie mit eigenen Landeswahlvorschlägen (Landeslisten) in den Ländern an der Bundestagswahl teilnehmen. Eine Partei darf in jedem Wahlkreis nur einen Kreiswahlvorschlag und in jedem Land nur eine Landesliste einreichen (§ 18 Abs. 5 BWG).
Verneint der Bundeswahlausschuss die Parteieigenschaft einer Vereinigung und bleibt ggf. auch eine Beschwerde zum Bundesverfassungsgericht hiergegen (§ 18 Abs. 4a BWG) erfolglos, kann diese als Wählergruppe nur mit eigenen Kreiswahlvorschlägen in den Wahlkreisen an den Wahlen teilnehmen. Sie darf keine Landeslisten aufstellen (§ 18 Abs. 1 in Verbindung mit § 20 Abs. 3 BWG).
Kreiswahlvorschläge von Parteien
Die Kreiswahlvorschläge müssen spätestens bis zum 69. Tag vor der Wahl, 18 Uhr, schriftlich bei dem zuständigen Kreiswahlleiter eingereicht werden (§ 19 BWG). Der Kreiswahlvorschlag muss in einer Mitgliederversammlung oder in einer besonderen oder allgemeinen Vertreterversammlung der Partei nominiert werden (§ 21 Absatz 1 BWG). Die abstimmenden Mitglieder müssen zum Zeitpunkt der Versammlung im Wahlkreis wahlberechtigt sein.
Über die Aufstellung der Kreiswahlvorschläge sowie die Wahl der Vertreter und Vertreterinnen für die Vertreterversammlungen muss geheim abgestimmt werden (§ 21 Abs. 3 BWG). Alle stimmberechtigten Mitglieder der Versammlung sind vorschlagsberechtigt, können also Personen zur Wahl vorschlagen. In der Versammlung muss den Bewerbern und Bewerberinnen Gelegenheit gegeben werden, sich und ihr Programm in angemessener Zeit vorzustellen.
Mit der Aufstellung der Bewerber und Bewerberinnen für die Bundestagswahl darf frühestens 32 Monate nach Beginn der Wahlperiode begonnen werden. Die Wahl für die Vertreterversammlungen darf frühestens 29 Monate nach Beginn der Wahlperiode stattfinden.
Weitere Modalitäten und Formalitäten hinsichtlich der Aufstellung und der Zulassung der Kreiswahlvorschläge enthalten die §§ 18 bis 26 BWG und die §§ 32 bis 38 BWO.
Kreiswahlvorschläge von Parteien, die seit der letzten Wahl nicht im Deutschen Bundestag oder einem Landtag ununterbrochen vertreten waren, müssen von mindestens 200 Wahlberechtigten des Wahlkreises persönlich unterschrieben sein (§ 20 Abs. 2 Satz 2 BWG).
Kreiswahlvorschläge von sogenannten "Wählergruppen"
Nicht nur Parteien können Wahlkreisbewerber nominieren; Gruppen von Wahlberechtigten können andere Kreiswahlvorschläge (§ 20 Abs. 3 BWG) machen. Ein unabhängiger Einzelbewerber kann mit der Unterstützung von anderen Wahlberechtigten kandidieren. Solche Kreiswahlvorschläge von sogenannten "Wählergruppen" müssen ebenfalls spätestens bis zum 69. Tag vor der Wahl, 18 Uhr, schriftlich bei dem zuständigen Kreiswahlleiter eingereicht werden (§ 19 BWG).
Für die Aufstellung durch Wählergruppen enthält das Bundeswahlgesetz keine besonderen Vorschriften; es sind beispielsweise keine offiziellen Versammlungen und geheimen Abstimmungen vorgeschrieben.
Die Wählergruppe muss lediglich:
- sich auf einen Kandidaten oder eine Kandidatin einigen und diese Person benennen
- 200 Unterschriften von Wahlberechtigten des Wahlkreises vorlegen
- den Wahlvorschlag form- und fristgerecht beim zuständigen Kreiswahlleiter einreichen
(§ 18 Absatz 1 in Verbindung mit § 20 Absatz 3 BWG sowie § 34 BWO).
Nimmt ein unabhängiger Einzelbewerber (als sogenannter „anderer Kreiswahlvorschlag“ im Sinne von § 20 Abs. 3 BWG) an Bundestagswahlen teil und erreicht er mindestens 10 Prozent der gültigen Erststimmen in dem entsprechenden Wahlkreis, so stehen ihm 2,80 Euro für jede für ihn abgegebene gültige Stimme zu (§ 49 b Abs. 1 BWG). Die Festsetzung und die Auszahlung dieser Mittel muss innerhalb von 2 Monaten nach der konstituierenden Sitzung des Deutschen Bundestages beim Präsidenten des Deutschen Bundestages schriftlich beantragt werden (§ 49 b Abs. 2 BWG).
Landeslisten
Landeslisten können nur von Parteien aufgestellt werden (§ 27 BWG). Die Parteien müssen ihre Landeslisten spätestens bis zum 69. Tag vor der Wahl, 18 Uhr, schriftlich bei dem zuständigen Landeswahlleiter einreichen (§ 19 BWG). Auch sonst gelten für die Aufstellung der Landeslisten die gleichen Voraussetzungen wie für die Aufstellung der Kreiswahlvorschläge von Parteien. Die Einzelheiten über die Aufstellung und die Zulassung der Landeslisten sind in den §§ 27 bis 29 BWG und in den §§ 39 bis 44 BWO geregelt.
Landeslisten von Parteien, die nicht im Deutschen Bundestag oder einem Landtag seit der letzten Wahl ununterbrochen vertreten waren, müssen von 0,1 Prozent der Wahlberechtigten des Landes persönlich unterschrieben sein, jedoch höchstens von 2.000 Wahlberechtigten (§ 27 Abs. 1 Satz 2 BWG).
Die frühere Wahlkampfkostenerstattung für Parteien ist nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE, 85, 264 [286]) seit 1994 durch eine allgemeine staatliche Teilfinanzierung der Parteien ersetzt worden. Die Höhe der staatlichen Zuwendungen wird dabei wesentlich durch den Erfolg der Partei bei Wahlen bestimmt.
Teilnahme an Europawahlen
Die Teilnahme von Parteien und sonstigen politischen Vereinigungen an den Wahlen zum Europäischen Parlament ist in den §§ 8ff. Europawahlgesetz (EuWG) sowie in den §§ 31 ff. der Europawahlordnung (EuWO) geregelt.
Bei Europawahlen sind nicht nur Parteien im Sinne des § 2 Abs. 1 PartG wahlvorschlagsberechtigt, sondern auch sonstige politische Vereinigungen. Darunter versteht man mitgliedschaftlich organisierte Vereinigungen, die an der politischen Willensbildung teilnehmen und in Volksvertretungen mitwirken wollen. Voraussetzung ist, dass sich ihr Sitz, die Geschäftsleitung und die Mitglieder in der Europäischen Union befinden und die Vereinigung auf dem Gebiet der Mitgliedstaaten tätig ist (§ 8 Abs. 1 EuWG). Hierzu zählen also zum Beispiel Zusammenschlüsse von Parteien auf europäischer Ebene. Sie müssen die für Parteien geltenden Voraussetzungen des Parteiengesetzes nicht erfüllen.
Landeslisten von Parteien oder sonstigen politischen Vereinigungen, die nicht im Europäischen Parlament, im Deutschen Bundes-tag oder einem Landtag seit der letzten Wahl aufgrund eigener Wahlvorschläge im Wahlgebiet ununterbrochen mit mindestens 5 Abgeordneten vertreten waren, müssen unter anderem von 0,1 Prozent der Wahlberechtigten des betreffenden Landes persönlich unterschrieben sein, jedoch höchstens von 2.000 Wahlberechtigten (§ 9 Abs. 5 Satz 1 EuWG). Gemeinsame Listen für alle Länder müssen unter anderem von 0,1 Prozent der Wahlberechtigten aller Länder persönlich unterschrieben sein, jedoch höchstens von 4.000 Wahlberechtigten (§ 9 Abs. 5 Satz 2 EuWG).
Alle Parteien oder sonstigen politischen Vereinigungen, die sich an einer Europawahl beteiligen, müssen bis spätestens am 66. Tag vor der Wahl beim Landeswahlleiter eine Landesliste bzw. bis spätestens am 68. Tag vor der Wahl beim Bundeswahlleiter eine gemeinsame Liste für alle Länder schriftlich einreichen (§ 11 Abs. 1 EuWG).
Die Aufstellung von Wahlvorschlägen muss den Grundsätzen innerparteilicher Demokratie entsprechen (§ 10 EuWG). Im Rahmen der staatlichen Teilfinanzierung der Parteien erhalten diese einen festen Betrag für jede bei Europawahlen für ihre Liste abgegebene gültige Stimme .
Sonstige politische Vereinigungen im Sinne des § 8 Absatz 1 EuWG, die sich in Deutschland an Europawahlen mit eigenen Wahlvorschlägen beteiligen und nach dem endgültigen Wahlergebnis mindestens 0,5 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen erzielt haben, erhalten für jede gültige Stimme jährlich 0,70 Euro. Abweichend hiervon erhalten sie jeweils für bis zu 4 Millionen Stimmen 0,85 Euro je Stimme (§ 28 Abs. 1 EuWG).